Bélas Sünden
auf den Lippen. Die Leute mochten sie. Ich mochte sie auch, verschaffte sie mir doch ein paar zusätzliche Stunden am Abend, um zu schreiben. Und was noch wichtiger war, Béla kam ausgezeichnet mit ihr zurecht, sodass er keine Einwände erhob, wenn ich mich kurz nach zehn noch einmal an die Schreibmaschine setzen wollte. Jeden zweiten Samstag gab es im Saal einen Tanzabend, bei dem Béla zusammen mit Andreas und Werner spielte. Dass sie weder Disco noch Tanztee boten, sondern eine nette Mischung, sprach sich rasch herum. Wir wurden jeden zweiten Samstag zum Treffpunkt für die mittleren Jahrgänge. Auch in der Woche musste die Saaltür häufig geöffnet werden, weil der Schankraum zu klein war, um all den Leuten Platz zu bieten. Trotzdem blieb mir Zeit genug für meine Geschichten. Mein Privatmanuskript bekam ich nach zwei Monaten von der Redakteurin zurück. Mit einem seitenlangen Begleitbrief, der im Wesentlichen aussagte, es sei eine gute Arbeit, für einen Roman jedoch ein bisschen holprig. Es gäbe ja keinen richtigen Zusammenhang zwischen den Bettszenen. Mit anderen Worten, es fehlte jegliche Handlung, obwohl die Akteure sehr aktiv waren. Wenn ich es noch einmal gründlich überarbeiten würde und so weiter. Das tat ich. Nach sechs Monaten hatte ich das Manuskript auf gute zweihundert Seiten gebracht und mich bezüglich des roten Fadens an den vergangenen Jahren mit Béla orientiert. Mit einem Unterschied! Als der jugendliche Liebhaber nach etlichen kürzeren Trips vom großen Ausflug zurückkam, hatte seine Angebetete die Nase gestrichen voll. Sie hatte sich zwischenzeitlich mit einem guten alten Freund getröstet. Und gemeinsam ließen sie den Heimkehrer über die Klinge springen. Ich schickte das Manuskript noch einmal an die Redakteurin. Die Antwort war eine herbe Enttäuschung. Es las sich gut, fand sie, spannend und unterhaltsam, aber es war weder Krimi noch Liebesroman. Auf Anhieb konnte sie mir nicht raten, welchem Verlag ich das anbieten könnte. Monatelang versuchte ich es auf eigene Faust, bekam Absage um Absage, schrieb aber bereits eifrig am zweiten Roman. Zwischendurch schrieb ich auch noch ein paar Geschichten für die Fernsehillustrierte, die immer prompt gekauft wurden. Und wie es schien, färbte die heile Welt allmählich auf unser Leben ab. Sonja stellte ihre Unkereien ein, kam nur noch heim, wenn sie etwas zum Anziehen brauchte oder Geld. Ihren Urlaub in dem Jahr verbrachte sie in der Bretagne, in einem Zelt, zusammen mit einer anderen Schulfreundin und deren Eltern. Der Spaß kostete nur vierhundert Mark, und die musste ich nicht aus der gemeinsamen Kasse nehmen. Heinz bastelte in seiner Freizeit an unserem Domizil. Baute ein winziges, aber beheizbares Duschbad in den Anbau, wechselte Fenster aus, hobelte Türen ab, trank abends sein Bier zum Dank und wollte ansonsten keine Bezahlung. Jetzt hatten wir also, was wir haben wollten, einen gemeinsamen, regelmäßigen Alltag. Natürlich gab es nochmal Krach um Kleinigkeiten, nicht der Rede wert, die Versöhnung folgte meist noch in derselben Nacht. Da lagen wir zuerst jeder auf seiner Kante vom Bett. Irgendwann sagte ich:
»Ich habe es nicht so gemeint, Béla, tut mir Leid, nicht mehr böse sein.«
Oder er streckte die Hand aus.
»Kann ich so nicht einschlafen, Liska.«
Gut ein Jahr nach seinem ersten Ausflug in die Arme einer anderen Frau fragte er mich zum ersten Mal, ob ich ihn heiraten wolle. Lieber heute als morgen, es lief doch alles bestens. Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, und aus Schaden wird man klug. Ich sagte:
»Warten wir noch ein bisschen.«
Das taten wir, noch ein Jahr. Dann war ich mir meiner Sache sicher, auch wenn Sonja düster prophezeite:
»Das wirst du eines Tages bitter bereuen.«
Das konnte ich mir nicht mehr vorstellen. In den vergangenen beiden Jahren hatte Béla sich benommen, als gäbe es außer mir keine Frauen – auch keinen
»guten«
Freund mehr. Andreas war Vater einer Tochter geworden. Komisch, alle bekamen sie nur Mädchen. Andreas war maßlos stolz auf die Kleine, schleppte wöchentlich größer werdende Stapel Fotografien mit sich herum, die er unentwegt vorzeigte. Wenn sie samstags zusammen auf dem Podium standen, waren sie nur zwei Männer, die sich seit ewigen Zeiten kannten und gut verstanden. Dass seine weiblichen Fans ihn anhimmelten, nahm Béla gelassen zur Kenntnis. Es schmeichelte ihm natürlich, aber ich war die Einzige. Wir hatten noch die Hälfte vom Pachtvertrag vor uns,
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