Bélas Sünden
auch nichts im Sinn mit grünen Jungs. Sie ist Papas Mädchen. Sie weiß ja nichts von der Sache. Ich könnte es ihr auch nie sagen. Damit würde ich ihr doch den Boden unter den Füßen wegziehen.«
Ende Mai war das. Heinz war schon lange weg, da saß ich immer noch an dem Tisch, wie blind und taub vom Begreifen. Vom eigenen Vater! Mir erschien das so ungeheuerlich. Um halb zwei ging ich mit Béla hinauf in die Wohnung. Die Sehnsucht vom frühen Abend war vergessen. Er bemerkte, dass ich mit meinen Gedanken woanders war.
»Was ist los, Liska«, scherzte er.
»Arbeitest du noch?«
Wir standen bereits unter der Dusche. Er zog mich an sich, küsste mich auf die Stirn und flüsterte:
»Jetzt habe ich den Computer ausgeschaltet.«
Hatte er nicht, die Gedanken kreisten unaufhörlich weiter in meinem Hirn.
»Kannst du dir vorstellen, dass ein Mann mit seiner eigenen Tochter schläft?«, fragte ich. Béla brauchte ein paar Sekunden, um das zu verdauen. Er stieß die Luft aus.
»Bist du verrückt, Liska? Das darfst du nicht sagen. Heinz ist…«
»Ich rede nicht von Heinz«, unterbrach ich ihn.
»Ich meine das ganz allgemein. Mit Heinz hat es überhaupt nichts zu tun.«
Béla glaubte mir nicht. Er hatte gesehen, dass ich stundenlang mit Heinz zusammengesessen, dass die meiste Zeit Heinz geredet und dabei einen sehr bedrückten Eindruck gemacht hatte. Den Eindruck eines Mannes, der sich etwas von der Seele reden musste. Oder ein Geständnis ablegte, so sah Béla es.
»Wenn es nichts mit Heinz zu tun hat, wie kommst du dann auf so eine schmutzige Idee?«
»Ich will darüber schreiben.«
Béla schüttelte den Kopf und verzog gleichzeitig das Gesicht.
»Liska, das ist nicht gut.«
Vielleicht hatte er Recht. Meta war jeden Tag in der Wohnung. Wenn sie etwas las, aber ich war bis dahin vorsichtig gewesen. Ich wollte ab sofort noch vorsichtiger sein. Am nächsten Tag fing ich noch einmal ganz neu an, begann immer erst, wenn Meta die Wohnung verlassen hatte. Zwar hatten die Figuren bei mir andere Namen, trotzdem mochte Meta gerade beim Anfang die eine oder andere Szene vertraut vorkommen und Erinnerungen wecken. Ich wollte nicht unbedingt herausfinden, wie sie darauf reagierte. Die erste Szene ließ ich fast unverändert. Der Unfall auf regennasser Straße. Ein Herbstmorgen mit Nebel und feuchtem Laub. Eine Wiederholung, Anfang und Ende einer Beziehung, die nie eine Chance hatte. Ein Mann auf dem Weg zur Arbeit, der dort nicht ankommen will. Während er auf die enge Kurve zufährt, sich daran erinnert, wie es zu Anfang gewesen war, während er grübelt, auf welch niederträchtige Weise man ihn benutzt und hintergangen hat, dreht sich für ihn die Zeit um zwanzig Jahre zurück. Als das Motorrad ins Schleudern gerät, ist er wieder der junge Mann, nach dem alle Mädchen verrückt sind. Er stürzt, bleibt schwer verletzt und bewusstlos liegen. Im Krankenhaus kommt er wieder zu sich. Da beugt sie sich gerade über ihn. Eine junge Frau, die in der Lage ist, einem Menschen Mut zu machen. Hübsch und still, so still, dass sie mit niemandem über den Ekel reden kann. Nach Dienstschluss geht sie heim, und da wartet jemand auf sie – seit sie zwölf Jahre alt ist. Noch eine Rückblende. Vater und Tochter am offenen Grab der Ehefrau und Mutter. Und abends allein in einem großen Haus. Alles ist plötzlich kalt und verlassen. Das Kind weint sich in den Schlaf, der Mann weint ebenfalls. Er ist noch jung, zu jung, um zu verzichten. Ein paar Wochen lang hält ihn die Trauer um seine Frau fest. Aber das Kind ist seiner Mutter zu ähnlich, es ist groß für sein Alter und gut entwickelt. Wochenlang schrieb ich von mittags bis weit in die Nacht hinein. Manchmal kam Béla am frühen Nachmittag und fragte, ob ich mich für eine Stunde in die Sonne legen möchte.
»Du bist so blass, Liska. Mach eine Pause, ruh dich ein bisschen aus.«
Manchmal ging ich hinunter. Aber ich blieb nie lange im Garten. Wenn Béla sich zu mir gelegt hätte. Im letzten Jahr hatte er das getan, jeden Nachmittag. Ich hatte ihm
»Rote Träume«
erzählt, nicht die Morde, nur die Fortschritte, die ich machte, die Leidenschaft und die Zärtlichkeit. Davon inspiriert, hatten wir uns gegenseitig mit Sonnenschutzmittel eingecremt, bis die Flasche leer war und wir beide randvoll mit Lust. Dann waren wir hinaufgegangen. Zuerst unter die Dusche, weil wir vor Sonnenmilch klebten, dann ins Bett. Nicht in diesem Jahr. Ich fragte ihn ein paar Mal, warum er nicht bei mir
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