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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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erscheinen.«
    »Wie heißt denn Ihr Chef?«
    »Covet. Marc Covet. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass es heute noch geklappt hat. Sehen Sie, als Redakteur ...«
    »Sie entschuldigen mich einen Moment«, unterbrach er meinen Sermon, sich an den schönen Kopf fassend, als sei ihm eben etwas Wichtiges eingefallen. Er eilte hinaus zu seinem Vorzimmerhuhn und schloss behutsam die Tür hinter sich.
    Ich atmete durch. Selbst mir fiel es bisweilen schwer, mich so dämlich anzustellen. Die Unterbrechung nutzte ich zu einem Rundblick durch Knöterichs Reich. Viel zu sehen gab es nicht. Die übliche Büroeinrichtung niederer Chargen; zwei große Zimmerpflanzen, ein blitzblank aufgeräumter Schreibtisch, darauf eine Modellbaufregatte. An den Wänden kein Kandinsky wie bei Bünting, dafür Emailschilder mit DACH-Werbung aus Vorkriegszeiten: »Gesundheit für die ganze Familie: Fructolax mit Vitamin C«. Auch eine Art der Corporate Identity.
    Aber da war noch etwas. Im Schatten eines großen Aktenschranks voller Geschäftsberichte und ähnlichem hatte Knöterich verschämt den Nachweis seines universitären Ritterschlags angebracht: eine Magisterurkunde im Fach Ethnologie. Ethnologie, alle Achtung! Fremde Nationen, urtümliche Völker ... und jetzt Ameisensäure und E 505. Ich grübelte ein wenig über den möglichen Werdegang des Magister Artium Benno Knöterich, bis er selbst, schöner als zuvor, über die Schwelle trat.
    »So, das war das«, lächelte er. »Wir hatten die Maler im Haus, wissen Sie, und da musste ich der guten Frau Eggebrecht ... Entschuldigen Sie bitte.«
    Nur gut, dass er gleich nach dem Namen meines Chefs gefragt hatte. Allerdings waren einige Lokalredakteure, der dicke Lothar zum Beispiel, von Covet instruiert worden, falls sich der Pressesprecher tatsächlich bei dem Blatt rückversicherte.
    »Der gute Herr Bünting«, sagte Knöterich und kehrte zu seinem Sessel zurück. »Das wird ihn ehren, wenn er von Ihrem Vorhaben hört.« Wie zuvor schlug er die Beine übereinander, stützte die Ellbogen auf die Lehnen und legte die Fingerspitzen zusammen. »Was möchten Sie wissen, Herr Koller?«
    Ich begann mit meinem Interview. Einen Notizblock auf den Knien, den Bleistift gezückt, erkundigte ich mich nach der Persönlichkeit des Diplomchemikers Hanjo Bünting, nach seinen besonderen Fähigkeiten und seinen herausragenden unternehmerischen Leistungen. Der Mensch hinter dem Monument H.B. ... Das gefiel dem ehemaligen Ethnologen. Nichts tat er lieber, als das Bild seines Brötchengebers in zarten Pastellfarben zu malen. Er tat es mit jenem herablassenden Lächeln, das er für mich reserviert hatte und das seine innere Distanz zu dieser Art von oberflächlichem Lokaljournalismus verriet – aber er tat es gerne. Der gute Herr Bünting ... was für ein feiner Mensch. Ein Vorbild! Alte Schule, wenn Sie verstehen, was ich meine. Grandseigneur nannte man das früher. Hochgebildet, voller Visionen. Ein Denker und Lenker, der die Firma noch durch schwierigstes Fahrwasser lotste. Willensstark und durchsetzungsfähig. Einer, der Verhandlungen seinen eigenen Stempel aufdrückt. Beste Verbindungen zur Politik. Legendär sein Auftritt 1973 beim späteren Kanzler Schmidt, damals Finanzminister, und Wirtschaftsminister Friderichs, als er den beiden Alphatieren Sonderkonditionen für die gebeutelten Unternehmen abtrotzte. Was für ein Schachzug! Und mit welchen Folgen für die DACH! Damals wurde der Grundstein für die atemberaubende Entwicklung des Betriebes gelegt. Und so weiter und so weiter.
    Ich kritzelte in meinem Notizblock herum. Knöterich war in seinem Element. Er resümierte, verallgemeinerte, brachte gestikulierend auf den Punkt und warf die Stirn in Falten. Alles, was er sagte, troff vor Bedeutung.
    »Die 70er und 80er, Herr Koller, das war die Ära der Doppelspitze: Bünting zusammen mit dem Firmeneigner, Herrn Caspar Meyer senior. Auch privat verband die beiden eine, ja, wie soll man sagen, eine innige Männerfreundschaft.« Er warf mir einen spöttischen Blick zu.
    »Soso.« Ich war zu Strichmännchen übergegangen. »Und Herr Meyer senior?«
    »Ist im Jahre 1988 verstorben«, sagte Knöterich. »Ein Jammer, dass er die deutsche Einheit nicht mehr erleben konnte. Sie war ihm ein Herzensanliegen.«
    »Eine traurige Sache«, pflichtete ich ihm nicht ganz eindeutig bei.
    »Seither bildeten die beiden Söhne des Patriarchen mit Herrn Bünting ein Triumvirat, wenn Sie den Ausdruck gestatten.« Ich gestattete. »Ein

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