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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hergekommen bin, wer mir geholfen hat, ob ich gemeldet bin, ob ich auf den Strich gehe ...«
    »Moment, Moment«, rief ich und hob abwehrend die Hände. »Sie sind völlig auf dem falschen Dampfer. Ich bin kein Staatsbeamter. Ich bin privat hier, weil ich mir Sorgen um Bünting mache. Welcher Polizist würde sich bei Ihnen nach Ihrem Arbeitgeber erkundigen?«
    Sie überlegte. »Weiß nicht«, sagte sie schließlich. »Die deutsche Polizei ist anders als die ukrainische.«
    »Oder nach Frau Bünting? Das passt doch nicht.«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Also, was ist mit Hanjos Frau? Geht es ihr schlechter als sonst?«
    »Nein. Sie ist immer gleich. Immer.«
    »An welcher Krankheit leidet sie? Wissen Sie, er erzählt nie von ihr.«
    »Mir auch nicht. Sie kann nicht sprechen, hat kein Gedächtnis. Sie ist wie tot, schon seit vielen Jahren.«
    Wie tot. Ja, das war auch mein Eindruck gewesen. Eine vertrocknete Seele in einem öden Körpergefängnis. Wer diesen Anblick tagtäglich zu Hause genoss, den schreckte eine Leiche auf dem Bergfriedhof nicht.
    »Aber irgendwann muss das doch mal angefangen haben. Durch einen Unfall, einen Schock, was weiß ich ... eine misslungene Operation oder eine Krankheit.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Er hat mir gesagt, sie sitzt schon 10, 20 Jahre im Rollstuhl und spricht kein Wort.«
    »Verstehe.«
    Mann, war diese Ukrainerin ein harter Brocken! War sie wirklich ahnungslos? Oder hatte sie Angst, einem Deutschen, den sie nicht kannte, auch nur eine Frage zu beantworten? Ich sah doch nun wirklich nicht wie ein Beamter aus, mit meinem Veilchen und meiner Alltagskleidung. Außerdem war Sonntag! Ihr Verhalten konnte natürlich auch in Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber wurzeln: Sei nett zu seinen Freunden, aber halte den Mund ... Ich musste konkreter werden.
    »Wenn das also nicht der Grund ist«, fuhr ich fort, »vielleicht gab es dann ein anderes Ereignis, das meinen Freund Bünting aus der Bahn geworfen hat. Wissen Sie, letzten Freitag sitzen wir noch zusammen, alles ist wie immer. Aber schon einen Tag später habe ich das Gefühl, mit ihm stimmt etwas nicht. Ob dazwischen etwas vorgefallen ist?«
    »Am Freitag?«
    »Ja, da war er noch ganz der Alte.«
    »Ich weiß nicht«, seufzte sie. »Es ist immer so viel Arbeit, nie Vergnügen, da vergisst man die Tage, auch die Freitage ... Ich kann nicht sagen, ob der Tag besonders war oder nicht.« Sie ging zum Fenster, öffnete es und stippte die Asche von ihrer Zigarette.
    Ich musste grinsen. Immer so viel Arbeit ... nie Vergnügen ... Arme, arme Katerina! Niemals konnte sie ihre schicken Kleidchen ausführen, keinen schmucken Bursch kennenlernen. Was für ein Leben!
    »Wohnt sonst noch jemand hier, den ich fragen könnte?«
    »Der Enkel von Herrn Bünting. Arndt. Aber nur manchmal. Er hat ein Studentenzimmer am Neckar.«
    »Und ist er jetzt im Haus?«
    »Nein.«
    Dann war das andere Zimmer, das ich von außen gesehen hatte, also die Bude des jungen Bünting gewesen. Eine Zweitwohnung, nicht schlecht. Den Großvater ständig um sich, dafür Tür an Tür mit einer aparten Ukrainerin ... Mir fielen diese Geschichten von Anfang des letzten Jahrhunderts ein, in denen der Sohn des großbürgerlichen Hauses zur Dienstmagd geschickt wird, damit er lernt, wo er später in der Hochzeitsnacht Hand anzulegen hat. Was lese ich auch so konservatives Zeug!
    »Entschuldigung«, unterbrach sie meine wirren Gedanken, »aber ich muss jetzt das Abendessen auftragen.«
    »Kein Problem! Tut mir leid, dass ich Sie aufgehalten habe. Verstehen Sie, ich mache mir Sorgen um meinen Freund Hanjo.« Ich überlegte, ob ich nicht eine wichtige Frage vergessen hatte, doch in diesem Moment platzte er selbst herein: mein Freund und Geschäftspartner Hanjo Bünting.
    Der Silberrücken riss die Tür auf und, als er mich sah, seinen Mund dazu. Ich schenkte ihm ein mildes Lächeln.
    »Sie sind also tatsächlich noch da!«, zischte er. »Verschwinden Sie auf der Stelle, oder ich schmeiße Sie raus.«
    Im Prinzip hätte mich interessiert, wie er das anpacken würde, aber vielleicht ergab sich später einmal die Gelegenheit. Ich stand auf.
    »Und Ihnen«, fuhr er Katerina an, »habe ich schon tausendmal gesagt, dass Sie im Haus nicht rauchen dürfen. Verstanden?«
    Das Mädchen drückte gelassen ihre Zigarette auf der Fensterbank aus. Ich war schon im Gehen, als mir etwas einfiel. Ich wandte mich um.
    »Danke für alles, Katerina«, sagte ich. Und fügte

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