Bernstein Verschwörung
Öffentlichkeit
gestanden. Schlagzeilen waren dringend zu vermeiden, solange der
Fall nicht abschließend geklärt war. Sein Mercedes der
E-Klasse, ein Fahrzeug aus dem städtischen Fuhrpark, war in
den frühen Morgenstunden in die KTU nach Düsseldorf
gebracht worden. Bislang hatten die Kollegen der Spurensicherung
aber auch hier nichts Auffälliges entdecken können.
Lediglich die DNA-Spuren von Trautler und seiner Frau waren im
Innern der Limousine gefunden worden. Die Kollegen, die Trautlers
Ehefrau vom Tod ihres Mannes unterrichtet hatten, hatten in ersten
Gesprächen nichts herausfinden können, was auf einen
möglichen Täter hinwies. Derzeit lief die Ortung des
Handys, von dem aus der nächtliche Anruf erfolgt war, nach dem
Trautler zu den Barmer Anlagen aufgebrochen
war.
Ulbricht
schüttete den Rest des nur noch lauwarmen Kaffees in sich
hinein und legte die Füße auf den Schreibtisch. Er
verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich im Stuhl
zurück und schloss die Augen. In Gedanken war er wieder in der
parkähnlichen Anlage. Der Täter konnte hier überall
auf sein Opfer gelauert haben. Der Baumbestand war alt und dicht,
das Buschwerk schützte ebenfalls davor, frühzeitig
entdeckt zu werden. Die um die Tatzeit herrschende Dunkelheit hatte
sicherlich ein Übriges getan, um den Täter zu decken.
Vermutlich hatte man Trautler hier aufgelauert, nachdem man ihn zu
der Stelle in den Barmer Anlagen bestellt hatte. Ulbricht fragte
sich, was den Mitarbeiter der Stadtverwaltung dazu bewegt hatte,
mitten in der Nacht aus dem Haus zu gehen. Jemand musste ihn unter
Druck gesetzt haben. Jemand, von dem weder Trautlers Mitarbeiter
noch seine Frau etwas gewusst hatten. Möglicherweise hatte er
eine Geliebte gehabt. Sicherlich war es denkbar, dass sie ihn in
den frühen Morgenstunden angerufen und zu einem Treffen
gebeten hatte. Demnach war es womöglich ein Mord aus
Eifersucht, vielleicht hatte sie verlangt, dass sich Trautler von
seiner Frau trennte. Ulbricht beschloss, der Witwe einen Besuch
abzustatten und sie nach ihrer Ehe zu fragen. Trautler war Mitte
vierzig gewesen; vielleicht hatten sich die beiden längst
auseinander gelebt.
Und es hatte eine
Morddrohung gegen den Oberbürgermeister Johannes Alt gegeben.
Möglicherweise handelte es sich um
größenwahnsinnige Zeitgenossen, die sich über die
Politik aufregten und den OB so unter Druck setzen wollten.
Andererseits waren Alt die Hände gebunden - im Hinblick auf
die Finanzlage der Stadt war er gegenüber der Landesregierung
in Düsseldorf relativ machtlos und unterlag dem
Spardiktat.
Ulbricht spann den
Gedanken weiter - vorausgesetzt, dass man sich vorgenommen hatte,
die Stadtspitze auszulöschen, hatte man vielleicht mit dem
Chef des Gebäudemanagements angefangen, als Schuss vor den Bug
quasi, bevor es dem Stadtoberhaupt an den Kragen ging. Alt selber
war auf der Hut, nachdem ihn die Morddrohungen erreicht hatten. Vor
seinem Wohnhaus in Ronsdorf wurde verstärkt Streife gefahren;
einen Personenschutz hatte das Stadtoberhaupt aber bislang
abgelehnt. Sollte es sich bei Trautlers Mörder
tatsächlich um den gleichen Täter handeln, der auch den
Oberbürgermeister bedrohte, hätte es sicherlich ein
Bekennerschreiben oder einen entsprechenden Anruf gegeben. Nichts
war bisher der Fall. Als die Tür mit einem Ruck aufflog,
schlug Ulbricht die Augen auf. »Brille« Heinrichs
stürmte in das Büro. Als er sah, dass sein Vorgesetzter
die Augen geschlossen hatte, errötete er und murmelte eine
Entschuldigung. »Heinrichs«, sagte Ulbricht gedehnt,
während er die Füße vom Schreibtisch nahm und sich
durch das Gesicht fuhr, um die Müdigkeit abzuschütteln.
Er rang sich ein Haifischlächeln ab. »Wann lernen Sie
endlich, anzuklopfen?«
»Tut mir leid,
aber der Bericht der Ballistiker liegt vor, und ich dachte
…«
»Das Denken
sollten Sie den Pferden überlassen - die haben den
größeren Kopf, das hat schon meine Mutter immer
gesagt.« Ulbricht verzog das Gesicht. »Schwamm
drüber. Was sagen denn unsere
Schießpulver-Spezis?«
»Trautler wurde
mit einer Waffe des Kalibers zweiundzwanzig Millimeter
erschossen.« Heinrichs wedelte mit dem Schnellhefter und sank
auf einen Besucherstuhl. »Na«, setzte er nach.
»Klingelt es?«
»Passen Sie auf,
dass es nicht gleich bei Ihnen klingelt«, erwiderte Ulbricht
und drohte seinem vorlauten Assistenten mit der Faust.
Heinrichs ging nicht
auf die Drohung seines Vorgesetzten ein.
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