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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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alte Frau zu Therese gesagt, als sie in der Residenzstraße in eine Kundgebung hineingeraten war. Unser herrlicher Führer, stammelte sie immer wieder vor sich hin, wobei ihre kleinen Vogelaugen glühten. Ihre dünnen Finger hielten einen Blumenstrauß umklammert. Die fanatischen Augen der Alten hatten Therese angst gemacht. Sie dachte daran, wie sehr sich Vater irrte, der die Nazis immer als randständige Opportunisten angesehen hatte, als so etwas wie eine vorübergehende Landplage. Aber Hitler hatte auch Vater besiegt. Und während Vater tot war, hing Hitlers Bild immer noch an allen Wänden. Und hinter seiner teigigen Stirn brütete er brutale Pläne aus. Daran gab es jetzt keine Zweifelmehr. Onkel Kurt und Tante Henriette aus Berlin waren schon vor einem Jahr deportiert worden. In Berlin gab es nur noch ein Viertel der früher dort ansässigen Juden. Sie waren abgeholt worden oder hatten sich umgebracht, um den Nazis zuvorzukommen. In Berlin hatten vor der Nazizeit die meisten deutschen Juden gelebt. Sie prägten das kulturelle Bild der Stadt, gaben ihm Weltniveau. Die Nationalsozialisten jedoch wollten die Welt nach ihrem eigenen Bild gestalten. Dazu mußten sie die Juden aussperren, vernichten. Therese wollte ihm entkommen, dem Herrn Hitler. Sie wollte ihm Valerie wieder entreißen und Mutter und Sybille. Sie wollte die Großeltern wiedersehen und Ivan und Leon und Thalhuber. Und wenn ihr Nationalsozialisten dazu verhelfen wollten, fand sie das zwar unglaubwürdig, ja absurd, doch ihr war jeder Weg recht. Mußte ihr recht sein. Sie hatte keine Wahl. Die Lechners, obwohl Parteimitglieder, waren das letzte Glied an der Kette, die Therese noch mit dem Leben verband.

 
    Manchmal erschien es Therese lächerlich. Tag um Tag lag sie nun in der verdunkelten Kammer, umstellt von den Möbeln des Lechner-Schwagers, der Vertiko, Kommode und Sessel vor den Bombenangriffen bewahren wollte. Therese sah es den Möbeln an, daß sie nicht gern mit ihr eingesperrt waren. Schief standen sie da, schienen Therese griesgrämig anzuschauen oder auch höhnisch. Mürrisch neigte sich das Vertiko über Therese. Nicht selten, wenn sie aus ihrem flachen, immer wachen Schlaf auffuhr, schien sich das Vertiko gerade noch einmal aufzurichten. So weit hatte es sich vorgeneigt, Thereses Gesicht mittels seiner gläsernen Scheiben zu zerstückeln. Die Kommode dagegen schien völlig teilnahmslos. Den Bauch träge vorgewölbt, stand sie da und lauschte auf den Holzwurm, der ihr dasMark aus den Fasern rieseln ließ. Therese kaute gelegentlich, wenn der Hunger sich an ihren Magenwänden festkrallte, das feine Holzmehl, das sich in Häufchen unter der Kommode versammelte.
    Ohnehin hätte Therese auf das Mobiliar nicht verzichten können. Denn trotz der Verdunkelungsrollos war die Kammer von dem umlaufenden Balkon des Hauses einzusehen, zumindest bei Tag. Die Polizisten, deren Dienstzimmer unter Thereses Kammer lag, kamen gelegentlich in der Mittagspause auf den Balkon. Hörte Therese ihre Schritte – und sie konnte inzwischen jeden Hausbewohner am Tritt erkennen –, warf sie eine Decke über sich, rollte sich darunter zusammen und empfand sich als das Bündel Lumpen, das die Zeit ausgespuckt hatte wie eine Eule ihr Gewölle. Wenn Therese sich auf diese Weise totstellte, das Kinn eng an die Knie gepreßt, die Arme fest um sich geschlungen, dann war sie sich selbst so nah, daß sie es in der ersten Zeit kaum ertragen konnte. Allein ihr Körpergeruch. Kein Schweinekoben im Isarwinkel, dessen war Therese sicher, stank derart abstoßend wie sie. Und die Gerüche nach Tod, nach Verwesung und Leben schienen sich in Therese noch zu verdichten, wenn sie, ihre Hand fest um ihre Veronaltabletten gepreßt, die todbringende Entdeckung fürchten mußte. Selbst die Bodendielen schienen dann bereit, Therese zu denunzieren. Sie ächzten schon, wenn Therese ihre verkrampfte Lage auch nur geringfügig verändern wollte.
    Nicht einmal die Nächte konnte Therese mit sich verbünden. Das Dienstzimmer unter ihrem Verschlag war ständig mit wenigstens einem Wachhabenden besetzt. Das bedeutete für Therese, daß sie sich niemals gefahrlos hochstemmen konnte von ihrem Lager, zum Hocken oder Sitzen, daß sie sich nur unendlich behutsam von einer Seite auf die andere drehen durfte. Bei jeder Verlagerung desGewichts gaben die Dielen Laut. Und einmal wollte ein Polizist unbedingt nachsehen, was da über seinem Kopf los wäre. Kaspar Lechner konnte ihn nur mit der Versicherung

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