Beziehungswaise Roman
hält man die Klappe, sitzt da und fühlt sich alt und desillusioniert. Prima. Jetzt vergleiche ich meine Karriere schon mit dem Weihnachtsmann.
Plötzlich beginnen die Kids zu tuscheln und schielen nach links. Ich folge ihren Blicken zum Eingang. Ein tief gebräunter Clemens kommt mit einer Blondine im Arm herein. Er trägt einen grauen Anzug und glitzert am Hals, dem linken Ohr, dem linken Handgelenk und vier Fingern der linken Hand. Wie ich von einer seiner Exmitarbeiterinnen weiß, glitzert er auch weiter unten, zentral. Er und der Papst lassen sich gerne den Ring küssen.
Er bleibt im Eingangsbereich stehen und schaut durch den Raum, wie Napoleon über sein Schlachtfeld, das Kinn vorgestreckt, den Rücken durchgedrückt. In dem teuren Maßanzug und den italienischen Halbschuhen sieht er aus, als würde er für einen Fotografen posieren. Dann entdeckt er mich, strahlt über das ganze Gesicht und kommt mit ausgestreckter Hand auf mich zu.
»Lasse!«, lacht er. »Willkommen an Land!«
Ich schaffe es gerade noch aufzustehen, bevor er meine Hand ergreift, während er mir mit der anderen den Ellbogen hält, wie in einem Begrüßungsworkshop für Nachwuchspolitiker.
»Schön, dass du es geschafft hast«, strahlt er.
»Musste ich ja«, sage ich. »Sonst hätte ich das alles hier verpasst.«
Ich mache eine Handbewegung in die Runde, als würde ich im Schloss Neuschwanstein stehen und einem Gast die Stallungen zeigen. Clemens kniept mir zu und verbreitet den leichten, aber durchdringenden Duft von sportlichem Rasierwasser.
»Keine Sorge, es wird ein guter Abend für dich.«
Ich hebe fragend die Augenbrauen. Er richtet einen Daumen auf seine Brust.
»Ich bin in der Jury. Und sie auch.« Er zeigt zu seiner Begleiterin. »Ihr kennt euch ja.«
Ich strecke die Hand aus.
»Ich wüsste nicht ... «, beginne ich und merke im selben Augenblick, wer vor mir steht. Benedicta Hollerbach. Oder BH, wie die Boulevardpresse sie getauft hat. Lange nicht gesehen und in der Zwischenzeit war allerhand bei ihr los. Sie ist berühmt geworden, ihre Lippen wurden voller, ihre Brüste größer, und ihre Stirnfalten sind verschwunden. Erfolg hält scheinbar jung. Sie ergreift meine halb ausgestreckte Hand und lächelt mich mit kleinen perfekten Zähnen an.
»Der lustige Däne erkennt mich nicht mehr ...«
Ich suche nach einem Spruch, mit dem ich ihr den Lustigen-Dänen-Mist abkontern kann, aber mir fällt nichts ein. Immerhin lasse ich ihre Hand wieder los. Ihre dunklen Augen mustern mich spöttisch.
Clemens winkt einer der Zwanzigjährigen zu, sich doch zu uns zu gesellen. Sie sitzt auf einem Stuhl in der Ecke und zögert einen Augenblick, bevor sie aufsteht und auf uns zukommt. Um die eins sechzig, braune, ungepflegte Haare, alte Jeans, Shirt, Turnschuhe, etwas übergewichtig, die Unauffälligkeit in Person. Sie ist mir dennoch aufgefallen, weil sie reinkam und sich setzte, ohne mit jemandem zu reden. Clemens strahlt sie an, schüttelt ihre Hand und zieht seine Wahlkampfnummer ab.
»Ja, wenn das nicht die Nina Jansen ist! Ich freue mich sehr, dass du es geschafft hast.« Er kniept mir zu. »Lasse, das ist Nina. Ihr habt etwas gemeinsam.«
Ich schaue sie an.
»Du stehst auf Frauen?«
Sie lacht nicht. Das gleicht Clemens mehr als aus, während er ihr seinen Arm um die Schultern legt.
»Lasse, Lasse«, schüttelt er den Kopf, »ja, so ist er«, nickt er und drückt ihre Schultern. Dann strahlt er mich wieder an. »Ihr seid in Zukunft bei derselben Agentur.«
Er lacht sie wieder an. Sie mustert ihn ausdruckslos und hängt bewegungslos in seinem Griff. Begeisterung pur.
Der Produktionsassi kommt angelaufen, bleibt ehrfurchtsvoll einen Meter neben uns stehen und schaut Clemens unterwürfig an.
»Herr Dibrani, entschuldigen Sie, aber es geht weiter.« Clemens lacht herzhaft.
»Geht es doch immer, nicht? Geht es doch immer.«
Zur Sicherheit lacht er noch mal. Der Produktionsassi stimmt ein. BH lächelt. Mann, ist das lustig hier.
»Tja, also«, grinst Clemens. »Wir sehen uns ja gleich.«
Er kniept wieder, wünscht Nina viel Glück. Dann legt er seine Hand um BHs Taille und zieht sie mit sich. Sie richtet wieder ihre dunklen Augen auf mich.
»Viel Glück«, sagt sie rauchig.
»Wünsche ich dir auch«, sage ich, obwohl sie es nicht braucht. Sie ist niemand, der sich von etwas Unsicherem abhängig macht.
Alle schauen ihnen nach, als sie gehen. Clemens’ selbstsicherer Gang. BHs kleiner fester Arsch in der Nobelmarkenjeans.
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