Beziehungswaise Roman
Clemens’ Hand, der ihm einen Klaps gibt. Er weiß genau, dass alle Blicke im Raum ihnen folgen.
Ich schaue meine neue Kollegin an.
»Tja, und jetzt gehörst du zur Familie ...«
Sie mustert mich. Sie könnte mal zum Friseur gehen. Und zum Shoppen. Und mal was sagen. Doch sie tut nichts von alldem, schaut mich nur aus regungslosen Augen an. »Wenn du ein Pantomime bist, muss ich dich töten.«
Sie nickt, geht zu ihrem Stuhl zurück und setzt sich. Es geht doch nichts über schnelle Frauenbekanntschaften. Ich stehe noch einen Augenblick dumm herum, dann setze ich mich auch wieder.
Kohl wird aufgerufen. Sein Agent ist nicht mehr an seiner Seite. Kohl wirkt einsam und verloren, als er mit gesenkten Schultern losgeht, um die grausame Erfahrung seines circa hundertsten Castings hinter sich zu bringen. Danach werdenein paar der Kids aufgerufen. Dann folgt meine neue Kollegin. Dann wieder ein paar Kids. Der Warteraum leert sich, und von den Kids, die bis zuletzt warten müssen, bekommen einige definitiv gleich einen Herzanfall. Sie zappeln herum und feuern sich an, als ginge es um Leben oder Tod. Irgendwann habe ich aufgehört, mich so zu freuen. Ich will es wieder lernen.
Vier Stunden später bin ich viel zu nüchtern. Die Hotelbar ist voll und laut. Der dritte Wodka brennt in meiner Kehle, doch ich werde noch ein paar Liter brauchen, um das Casting zu vergessen. Nur einer der Juroren interessierte sich für meinen Auftritt, und mein Agent war es leider nicht. Der stocherte auf seinem BlackBerry herum und hob seinen Blick nur ein einziges Mal, um mir zuzukniepen. Ein Redakteur vom Sender ließ sich ebenfalls nicht von mir stören, er malte Männchen auf einen Block. Sein Nebenmann, den ich nicht kannte, verfolgte meine Darbietung, ohne eine einzige Gefühlsregung zu zeigen, BH musterte die ganze Zeit meine Schuhe und lächelte dabei wissend, bis ich anfing, mich zu fragen, was sie wissen könnte. Ich war unsicher und holperte im Text, doch außer Kohls Agent, der aufmerksam zuschaute, mir zunickte und sich Notizen machte, schien es niemandem aufzufallen oder gar zu interessieren. Außerdem bin ich für die Qualifikation qualifiziert und die findet am Montag statt.
Am Rosenmontag.
In Köln.
Live.
Vor eintausend Karnevalisten.
Da hilft noch nicht mal die Gewissheit, dass ich jetzt ein gutes Honorar bekommen werde. Da hilft nicht die Gewissheit, dass ich einen TV-Auftritt haben werde, also ein neues Demoband für lau bekomme und jede Menge Werbung.
Ein neuer Meilenstein in meiner Karriere.
Ich bestelle noch einen Doppelten bei der Bedienung. Neben dem Ausgang redet Herr Scheunemann beruhigend auf seinen Schützling ein, der sich ebenfalls qualifiziert hat, der Arme. Mit seinen Selbstzweifeln muss ihm jetzt sogar noch unwohler sein als mir. Ich weiß wenigstens, dass mein Sieg gekauft war. Ich weiß bloß nicht, warum. Ich dachte, Clemens wollte mich fertigmachen, und nun hat er mich durchgewunken. Oder hofft er, dass ich angesichts der Drohung Karneval schreiend die Flucht ergreife? Die Hoffnung ist nicht unberechtigt. In meinem Leben habe ich ein paar Dinge gemacht, auf die ich nicht stolz bin. Ein Karnevalsauftritt wäre ein neues Niveau.
Der Drink kommt. Ich kippe ihn runter, ordere gleich den nächsten und fange mir einen Spruch von der Bedienung ein, dass ich das ja gleich hätte sagen können. Bevor mir dazu was einfällt, rutscht BH neben mich an die Theke. Sie ordert ein Pellegrino, nickt mir zu und mustert mich mit ihren dunklen Augen.
»Gratuliere.«
Ich forsche vergeblich in ihrem Gesicht nach Sarkasmus. »Danke.«
»Du warst gut.« Sie nickt langsam, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Du bist nicht Spitzenklasse, aber du hast einen Sympathiebonus. Die Leute mögen dich.«
Ich nicke.
»Vielleicht weil ich Immigrant bin. Weißt du, der lustige Däne, das haut’s einfach raus.«
Ihre Lippen bekommen wieder diesen spöttischen Zug. »Immer noch böse auf die Spielregeln? Du solltest dankbar sein; ein solcher Name hat einen riesigen Wiedererkennungswert. «
Ich zucke die Schultern.
»Mein Publikum erkennt nicht mal die eigenen Kinder wieder.«
Sie nickt nachdenklich.
»Ist das Durchschnittsalter auf dem Boot wirklich so hoch?«
Wieder stutze ich. BH verfolgt meinen Werdegang? »Schiff. Ja. Ich lasse schon bestimmte Pointen weg, weil ich Angst habe, dass ihnen beim Lachen irgendwelche Äderchen platzen.«
Sie lacht. Und das macht sie wirklich gut. Die Augen geschlossen. Den Mund weit
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