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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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küsste. Arthur hörte Geigen und Bläser, die über dem Schlagen der Trockner anschwollen, und als sie sich voneinander lösten, sich vom Kuss gleichermaßen wie vom Bier atemlos und schwankend aufrichteten, war Arthur von einer überwältigenden Dankbarkeit erfüllt, dass er Amy überhaupt gefunden – und sie nicht auf den Kopf hatte fallen lassen und umgebracht hatte.
    »Ich fass es nicht, dass ich das getan habe«, sagte er.
    »Ich kann es auch kaum glauben«, sagte Amy. »Lass es uns noch mal tun.« Und sie wurde schlaff in seinen Armen und bog ihren Kopf und ihren Hals mit der ganzen Anmut einer betrunkenen Meerjungfrau von Arthur weg.
    Und jetzt baumelte der rosa Plastikaffe an seinem Schnörkelschwanz von einer roten Wäscheleine.
    Im Schuhkarton fand Arthur eine kleine violette Pille, die, wie sich herausstellte, eine Färbetablette für Ostereier war (was er während eines höchst wissenschaftlichen Experiments spät in der Nacht herausfand, als Arthur, der die Einsamkeit gesucht hatte, gleichwohl das Verlangen des Werklehrers nach einem Nachttrunk unterschätzt hatte). Er entdeckte eine alte gerahmte Fotografie von zwei Teenagern, einem Jungen und einem Mädchen, die Händchen haltend vor dem Ozean standen, sodass ihre Körper ein M bildeten und die Gischt, die ihre Knöchel umschwappte, Zwillingsparabeln formte. Er fand eine Schlaufe unbekannter Fahrkarten, alt und blau und in perforierte Zickzacklinien geknickt. Er hängte die Fahrkarten wie ein Fähnchen über das Foto und bemalte mit den Fingern das Glas um die Gestalten mit rot-violetter Farbe. Die Fremden hielten sich an den Händen und lächelten und weigerten sich, ihm ihre Namen preiszugeben.
    Die Gegenstände im pinkfarbenen Schuhkarton – Amys Hinterlassenschaft – forderten ihn dazu auf, sie wie Puzzleteile zusammenzusetzen. Er fühlte sich dazu verpflichtet, etwas aus ihnen zu machen, sie auseinanderzunehmen und in neuen Konfigurationen wieder zusammenzusetzen. Immerhin war er gelernter Künstler – er konnte aus den Zeichen eine Collage machen. Nur die Lösung konnte er nicht erschaffen.
    Arthur hatte seinen Bachelorabschluss in Bildender Kunst gemacht, mit Schwerpunkt Fotografie. Er belegte alle erforderlichen Grundlagenkurse – figürliches Zeichnen, die Grundlage von Design und einige qualvolle Mixed-Media-Seminare, die von Doktoranden angeboten wurden, die jedem eine Eins gaben, der glaubte, das Sakrale, das Profane und das Kommerzielle allein dadurch nebeneinanderzustellen, indem er über ein Ölgemälde von Mickey Mouse das Wort Fuck kritzelte – aber Arthur war sehr schlecht darin, irgendetwas zu erschaffen, das ihm eine grundlegende Hand-Auge-Koordination abverlangte, weil er im Umgang mit einem Pinsel sehr ungeschickt war und der Gebrauch von Kohlestiften ihn völlig überforderte. Die Grundlagenkurse hatte er mit reiner Willenskraft überstanden, sich dann eine Kamera gekauft und einen Laborraum gemietet und nie mehr zurückgeblickt.
    Die Abschlüsse in Zeichnen und Malen, die er nur mit Mühe und Not schaffte, machten die Semesterferien während seines ersten und zweiten Studienjahrs alles andere als angenehm. Arthur entstammte einer Familie von Schweißern, Fließband-Vorarbeitern in Nachtschicht, Schreibkräften, Lehrern, Krankenschwestern, Büroleitern, einem Fußspezialisten, einem Mechaniker und einem Polizisten. Sie waren alle Bostoner Arbeiter – genauer gesagt Somervillianer – und erteilten Arthur seine erste Lehrstunde am Objekt, auch jene zu lieben, die man nicht wirklich verstehen konnte: vor allen Dingen, dass dies in beide Richtungen galt. Tatsächliches Verständnis füreinander konnten sich weder er noch seine Eltern vormachen, und Arthur, dessen Begeisterung für Fotografie durch lebenslanges Blättern in den Hochglanzseiten des National Geographic gespeist wurde, zitterte wie Espenlaub, als er verkündete, er wolle die Schule für Fotografie besuchen. Seine Eltern standen vor einem Rätsel, waren aber nicht über die Maßen überrascht und willigten schließlich ein, mit einer Bedingung: dass er auf eine staatliche Schule ging. Ihm bei der Finanzierung einer privaten Kunsterziehung unter die Arme zu greifen, zogen sie nicht einmal in Erwägung, was sein Vater mit den Worten begründete, dies sei nichts anderes, als »einen Haufen Geld anzuzünden, um diesen dann pinkelnd zu löschen«. Und als dann Arthurs erste Noten eintrudelten – Einsen und Zweien in seinen Pflichtkursen, eine Eins in

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