Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
Vom Netzwerk:
junges Gesicht, dessen Lächeln sich einem erst offenbarte, wenn man, wie Arthur dies tat, das Bild lange anstarrte. Der Mann zur Rechten mit der stehenden Frau dahinter hatte kurzes helles Haar und einen eindrucksvollen Schnurrbart sowie eine kleine Kerbe, wie von einem Biss, in einem der Ohren. Ein Kämpfer, überlegte Arthur. Aber er machte keinen unfreundlichen Eindruck, seine Augen zeigten in den Winkeln schräg nach oben. Der Mann auf dem Foto lächelte. Die Frau sah aus, als hätte jemand gerade ihrem Kätzchen einen Tritt verpasst.
    Sie trugen ihre Geheimnisse wie ihre Knöpfe und ihre Ketten und ihre Manschettenknöpfe – die zu klein waren, um gesehen zu werden, doch allem seine Gestalt und seinen Platz gaben.
    Ihre Manschettenknöpfe?
    Arthur entfuhr ein Schrei.
    Die Männer auf dem Foto – MR. DANIEL DARBY und MR. (UND MRS.) WILLIAM FITCHBURG JONES , wie die auf den überladenen Goldrahmen geschraubte Messingplatte verkündete – trugen passende, absolut runde, in Silber gefasste Manschettenknöpfe, die Arthur gesehen, die er in seinen Händen gehalten und die er aus einem Stück gelben Seidenpapier ausgewickelt hatte, das in einem Plastikei steckte. Er würde jeden Dollar, den er je verdient hatte oder noch verdienen würde, darauf setzen, dass sie rubinrot und schwer und schön waren, und das – das war mehr als nur ein Zeichen, dies bedeutete … er wusste nicht, was es anderes bedeutete, als dass es etwas war, was er sehen sollte.
    » Mona !«, rief er. Er riss das Bild vom Nagel, hielt es auf Armeslänge von sich und lachte.
    »Hey!« Monas Rufen erschreckte ihn, und er drückte sich den Rahmen an die Brust.
    Sie stand im Foyer und wischte sich ihre Hände an einem blau-rosa Handtuch ab. Ihr dunkles Haar hatte sie zum Pferdeschwanz nach hinten gebunden und sie war barfuß. Auch lächelte sie nicht wie üblich. Sie war wütend und hatte Angst.
    Ein ganz kleiner Teil von Arthur wurde wach und machte sich entsetzt klar, dass dies kein Traum war. Nie einer gewesen war. Ihm war eiskalt. Und er erkannte, wie er auf Mona wirken musste: Er versuchte sich zu erinnern, ob er an diesem Morgen geduscht (hatte er nicht) oder sich rasiert (hatte er nicht, schon seit Tagen nicht mehr) oder auch nur ein Hemd angezogen hatte (hatte er nicht, genauso wenig wie irgendeine Hose). Er löste sich von der Wand, wobei er den Rahmen noch immer an sich gedrückt hielt, und Mona begann stirnrunzelnd die Treppe hochzusteigen.
    Als Arthur zu sprechen versuchte, brachte er keinen Ton heraus.
    Auf der dritten Stufe blieb Mona wie angewurzelt stehen. Das blau-rosa Handtuch hing schlaff von ihren Händen. »Was ist?«, fragte sie.
    »Ich sah …«, versuchte es Arthur.
    Mona setzte ihren Weg fort und warf sich das Handtuch über die Schulter. Sie stemmte eine Hand in ihre Hüfte und stützte die andere aufs Geländer und sah Arthur finster an: seine dunkelblauen Boxershorts, sein verfilztes Brusthaar, seine Hühnerbeine, wie Amy sie nannte. Arthur schniefte und wich weiter zurück. Er verschränkte seine Arme über dem Rahmen und drückte sich das kühle Glas an sein Brustbein.
    »Arthur«, sprach Mona ihn an. »Was verdammt noch mal tun Sie hier? Sie stehlen Scheiße von der Wand. Sie … gestern beim Abendessen, was immer das sollte. Sie stören meine anderen Mieter, von denen einer unter seinem Bett ein Gewehr aufbewahrt. Ich lebe zwar dort, wo Fuchs und Hase sich ›Gute Nacht‹ sagen, aber ich bin nicht blöd, also sagen Sie mir, warum Sie hier sind, warum Sie wirklich hier sind, bevor ich die Bundespolizei rufe.« Mit der Eleganz eines Zauberers, der unter einem seidenen Taschentuch einen Blumenstrauß hervorzieht, zog sie ein Mobiltelefon aus ihrer Tasche.
    Seine Hände zitterten. »O Gott, nein – nein, nein, nein. Es besteht kein Grund, die Polizei anzurufen. Ich werde Ihnen
nichts antun.« Jetzt zitterte alles. Seine Zähne schlugen aufeinander, und er spürte, wie die Hitze ihm von der Brust bis ganz hinauf in den Kopf stieg. »Es tut mir leid, ich werde gehen …«
    »Ich wähle«, sagte Mona.
    »Nein! Nein, bitte, ich werde gehen, ich werde Sie gleich jetzt verlassen. Ich muss nur noch rasch meinen Kater holen. Oh …« Harryhausen, der nie einen Auftritt verpasste, kam aus Arthurs offener Zimmertür den Flur entlanggetappst.
    »Sie haben eine Katze?«, sagte Mona, und ihre Stimme stieg beim Wort Katze um drei Oktaven an.
    »Ray Harryhausen.« Arthur deutete töricht auf den Ball, der auf sie zugewatschelt

Weitere Kostenlose Bücher