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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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sie und grinste.
    »Sie ist schön.« Arthur seufzte und sank weg.

6 Das Normale ist relativ
     
    »Meine Mutter ist verrückt.« Oneida konnte nicht aufhören, nachdem die ersten Worte erst einmal ausgesprochen waren. Das Zittern in ihrer Stimme war eine Warnung, der nicht einmal sie Beachtung schenkte. »Ich meine damit, absolut verrückt, nicht mehr ganz bei Trost, völlig durchgeknallt. Da fällt also dieser sonderbare Typ die Treppe vom zweiten Stock hinunter. Sein Blut sieht man vermutlich noch immer in der Diele. Mom fährt im Krankenwagen mit, wartet, bis der Doktor ihr versichert: Er wird es überleben, aber er könnte ein paar Gedächtnislücken zurückbehalten  – als wäre das wichtig, denn er ist ein absolut Fremder, und wir wissen überhaupt nicht s von ihm –, außerdem ist seine Brust aufgerissen und blutet, weil er auf den Bilderrahmen gefallen ist, den er stehlen wollte, und zwar von unserer Wand. Also hat man ihn überall mit diesen ekelhaften Stichen genäht, und jetzt kommt der Teil, wo meine Mom wirklich jeglichen Verstand verloren hat: Er ist hier . Er wohnt noch immer hier! Sie hat ihm zurück auf sein Zimmer geholfen und sie kümmert sich um ihn . Sie ist verrückt !«
    Andrew Lu sagte nichts. Oneida fragte sich, ob sie womöglich die falsche Nummer gewählt hatte.
    »Andrew? Bist du noch dran?«
    »Äh. Ja. Ich bin da. Das ist ziemlich … verrückt.«
    Oneida rollte sich auf ihr Bett zurück und zwängte ihren Kopf zwischen die Kissen. »Das weiß ich selbst. Es ist fast, als wollte sie, dass wir im Schlaf von diesem Psycho in Stücke gehackt werden. Ich meine, er wohnt in unserem Haus . Und er ist … total abgefuckt.« Es bereitete ihr einen Kick, dieses Wort am Telefon zu Andrew Lu zu sagen. »Was meinst du, bin ich in Sicherheit? Mein Gott. Ich habe meinen Schreibtischstuhl unter meine Türklinke geklemmt, aber wenn er hier reinwollte – also wirklich reinwollte –, würde dieser Stuhl das bestenfalls verzögern.«
    »Ich würde mir keine Sorgen machen.« Andrew räusperte sich. »Ehrlich gesagt … für mich hört sich das gar nicht so verrückt an.«
    »Was?« Oneida war beleidigt. Da hatte sie endlich eine aufregende Geschichte zu erzählen, um sich seine Aufmerksamkeit zu sichern, und ihr Seelenverwandter kapierte das gar nicht?
    »Vermutlich hat sie Angst, dass dieser Kerl sie gerichtlich belangen könnte. Wenn er ihre Treppe hinuntergestürzt ist, könnte er sie verklagen und sich einen Anwalt nehmen oder so. Vielleicht glaubt sie, er werde keine Anklage erheben, wenn sie ihn pflegt.« Im Hintergrund war ein Klappern zu hören, als würde Andrew Lu etwas tippen. Vielleicht unterhielt er sich nebenbei mit seinen Freunden am Computer, überlegte Oneida und errötete dabei, vermutlich erzählte er ihnen, dass sie, Oneida, völlig neben der Spur war.
    Es folgte eine lange Pause. Da sie des einzigen interessanten Themas, worüber sie sprechen oder woran sie auch nur denken konnte, beraubt war, kaute sie schweigend an ihrer Lippe. Von Andrews Seite war weiteres Geklapper zu hören.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe nur gerade eine E-Mail an meine Großmutter in Hongkong fertig geschrieben. Sie erwartet von mir, dass ich ihre E-Mails in, na ja, weniger als vierundzwanzig Stunden beantworte. Wenn ich das nicht tue, heißt es das nächste Mal: Du erweist mir keinen Respekt und blabla.« Oneida wusste nicht, was sie mit dieser Information anstellen sollte, also schwieg sie weiter. Sie fühlte sich, als wäre sie mitten auf einen gefrorenen See hinausgegangen, ausgerechnet in dem Moment, als es zu tauen begann.
    Das Klappern hatte aufgehört. »Na«, sagte Andrew, »was ist los?«
    »Nicht viel.«
    »Dann hast du mich also … angerufen, um mir zu sagen, dass deine Mom verrückt ist.«
    Ja, sagte sie sich , ich musste es jemandem erzählen, aber dieser jemand, dem ich diese Dinge normalerweise erzähle, ist derjenige, der es vermasselt hat .
    »Hattest du auch eine Frage zum Geschichtsprojekt? Etwas, worüber du sprechen wolltest, ohne dass die anderen es mitbekommen?«
    Wenn sie Andrew Lu davor jemals geliebt hatte, war dies nur eine blasse Imitation der Zuneigung gewesen, die sie in diesem Moment wie eine Woge überspülte. Sie setzte sich auf und ließ ihre Beine über die Bettkante baumeln.
    »Ja«, sagte sie. »Da hast du recht.«
    »Ich bin gut darin«, sagte Andrew. »Wünschst du dir nicht auch, wir beide würden allein an diesem Ding arbeiten? Du weißt schon, Lennon

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