Bilder von dir: Roman (German Edition)
und McCartney wieder vereint?«
Oneida erhob sich. Mit der einen Hand hielt sie sich das Mobiltelefon ans Ohr, während die andere wie wild zu zucken begann, eine Leitung unter Strom. Das war das erstaunlichste Gespräch, das sie jemals mit irgendjemandem geführt hatte. Sie beobachtete sich im Spiegel, um sich zu vergewissern, dass es tatsächlich stattfand, um sich in ihrem gestenreichen Jubel zu sehen.
»Ja, genau!«, sagte sie und zeigte hoch an die Decke. »Deshalb hasse ich Gruppenarbeit ja auch. Unweigerlich muss jemand wie du oder ich diese Niete von Wendy mitschleifen.«
Als sie Andrew am anderen Ende der Leitung glucksen hörte, ließ Oneida sich auf ein Knie fallen, ballte ihre Faust und drückte triumphierend ihren Arm hoch.
»Ich hatte das letzte Mal im Unterricht das Gefühl, du würdest etwas zurückhalten«, sagte Andrew. Und er hatte recht; als sie sich am Mittwoch während des Unterrichts zusammengesetzt hatten, empfand Oneida ihre Liebe zu Andrew besonders stark, war sich des Blauschwarz seiner Haare besonders bewusst und nahm die Bewegungen seiner Arme und Schultern unter seinem roten Kapuzenpullover besonders intensiv wahr. Was sie zurückhielt, war das starke Bedürfnis, ihn anzufassen, und keinesfalls etwas, was gruppenrelevant gewesen wäre.
Oneida hüpfte auf und ab. »Ich habe mir Folgendes überlegt«, sagte sie und hüpfte wieder.
»Okay, schieß los«, sagte Andrew.
Oneida sprang jetzt von einem Bein aufs andere und hoffte mittels ihrer spontanen Fitnessübung göttlicher Inspiration teilhaftig zu werden. Sie hüpfte an ihre Kommode, wo sie den Bücherstapel und den verstaubten Beutel Kleinkind-Make-up musterte, der so gut wie nie zum Einsatz kam – die Lippenstifte für neunundneunzig Cent und der Nagellack, die jedes Jahr an Weihnachten in ihrer Socke steckten –, und da fiel ihr Blick auf ihre Spieldosen. Ihre vier Lieblinge standen in einer Reihe. Wenn Mona sie abends zu Bett brachte, zog sie alle vier gleichzeitig auf, sodass eine Kakofonie scheußlichen Geklimpers Oneidas Zimmer erfüllte. Manchmal saßen sie noch Seite an Seite auf Oneidas Bett und schleuderten Unterwäsche auf sie, und auf diese Weise hatte Oneida von Monas unvergänglicher Liebe für Tom Jones erfahren.
»Wir sollten eine Band gründen«, schlug Oneida vor und hielt die Luft an.
»Eine echte Band?« Andrew klang alles andere als enthusiastisch.
»Die frühen Beatles-Stücke sind doch ziemlich einfach, oder? Es kann doch nicht so schwer sein, eins davon einzustudieren? Das würde unsere Präsentation unglaublich eindrucksvoll machen.« Sie wackelte mit ihren Fingern in der Luft. »Das brächte so viel zusätzliche Anerkennung, das glaubst du gar nicht. Wir würden in Anerkennung ertrinken. Himmlischer Anerkennung. Denk darüber nach.«
Es folgte eine Pause.
»Und du würdest das tun? Du würdest vor der ganzen Klasse singen?«
»Darum geht es doch: Wir würden alle singen.« Oneida sprang durch ihr Zimmer wie ein Kaninchen auf Speed, und je mehr sie hüpfte, umso genialer fand sie ihre Idee und umso weniger zählte, was Andrew davon hielt. »Wir müssten natürlich proben, aber das würde Spaß machen. Und Dreyer fände das garantiert super. Du hast doch gesehen, wie glücklich sie war, als wir ihr sagten, wir hätten uns für die Beatles entschieden. Sie liebt sie. Vermutlich war sie sogar auf einem ihrer Konzerte, vor fünfzig Jahren oder so.«
»Und warum hast du diesen Vorschlag nicht vor Dani und Wendy machen können?«
Oneida hörte zu hüpfen auf. »Also wirklich, Andrew. Du weißt doch, Dani findet alles blöd, was ich sage, egal wie großartig es ist. Wenn wir uns also morgen treffen und du und ich eine gemeinsame Front bilden – dann haut das hin! Dann sind wir eine Band.« Oneida warf sich rückwärts auf das Bett und rollte sich glücklich auf die Seite. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich bereits in Andrew Lus Garage lässig »Love Me Do« klimpern und singen, diesen Song, der so einfach und simpel klang. Stundenlanges Proben mit Andrew Lu – nach der Schule, an den Wochenenden. Dazwischen eine Pause in der Küche der Lus, wo seine Mutter Oneida einen frisch gebackenen Schokochipskeks und ein Glas Milch reichte. Die Aussicht, in einer anderen Küche zu stehen, bei einer anderen Familie, übte auf Oneida einen derart starken Reiz aus, dass sie, wäre mit Mona alles normal gewesen – oder besser, hätte Mona sich nicht als Geheimniskrämerin offenbart und als Verrückte noch
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