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Bilder von dir: Roman (German Edition)

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Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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dazu –, sich ernsthaft Sorgen gemacht hätte. Hol mich hier raus , wollte sie Andrew Lu sagen.
    »Also gut«, sagte Andrew. »Dann schlag es vor, wenn wir uns morgen alle treffen, du kannst mit meiner vollen Unterstützung rechnen.«
    »Perfekt!«, sagte Oneida.
    »Und damit ist unser heimliches Gruppentreffen wohl beendet«, sagte Andrew. »Dann sehe ich dich morgen bei Wendy.«
    »Das ist so schräg«, sagte Oneida, weil sie unmöglich das Gespräch beenden konnte. Ein langer Samstagnachmittag dehnte sich vor ihr aus, ohne allzu viele Hausaufgaben, die sie davon hätten ablenken können, sich ihre Mutter vorzustellen, die an Arthur Rooks Bett saß, die Verbände auf seiner Brust kontrollierte und ihn mit Hühnersuppe fütterte. Der Samstagnachmittag war doofen Filmen im Kabelfernsehen vorbehalten, die sie sich gemeinsam ansahen, nicht dem Aufpäppeln eines Fieslings.
    »Dass wir zu Wendy gehen? Mal im Ernst«, erwiderte Andrew, »damit will ich sagen, ich bin neu hier, aber selbst ich weiß, dass dieser Typ labil ist. Der hat sich bestimmt freiwillig gemeldet, weil seine Eltern frisches Fleisch brauchen.«
    »Der Vorrat vom letzten Jahr geht langsam zu Ende.« Oneida drehte ihr Haar um einen Finger und zog es stramm von ihrem Kopf. »Wir sollten dort gleichzeitig auftauchen und einander nie aus den Augen lassen.«
    »Ich denke, uns wird nichts passieren. Wir können ihnen Dani zum Fraß vorwerfen.«
    »Dani gibt keinen guten Eintopf ab. Aber sie könnten Hackfleisch aus ihr machen und Daniburger.«
    »Ja, krass«, sagte Andrew und dann entschiedener, »wir sehen uns morgen.«
    »Tschüss«, sagte Oneida. Und mit einem Klicken war die Verbindung zu Andrew Lu und dem Rest der Welt unterbrochen, ohne dass sie darauf vorbereitet gewesen wäre. Sie blieb eine Weile still auf ihrem Bett liegen, hörte sich selbst beim Atmen zu und versuchte nicht nachzudenken. Sie wollte auf einen Grund warten, sich wieder normal zu fühlen.
    Dass Normalität relativ war, hatte Oneida bisher nie wirklich akzeptiert, bis sie tags zuvor von der Schule nach Hause gekommen war und fast in die Pfütze aus dunklem geronnenem Blut in der Diele getreten wäre. Ihr Fuß erstarrte in der Luft über der Pfütze von der Größe eines Basketballs, weil ihr Gehirn einen sofortigen Stopp der Bewegung anordnete, bevor es noch Gelegenheit hatte herauszufinden, was zum Teufel da los war. Das war doch Blut? Echtes Menschenblut, das zwischen die gelben und blauen Fliesen in der Diele sickerte. Und wenn da Blut im Foyer war, und es dunkel war und schon zu trocknen begann, ihre Mutter es außerdem noch nicht weggewischt hatte …
    Der Stoppbefehl wurde außer Kraft gesetzt und Oneida stürmte durchs Haus in die Küche, wo überall die Backzutaten ihrer Mutter herumlagen. Ein Klumpen Fondant war in der großen blauen Rührschüssel zu einem harten weißen Stein erstarrt. Sie rannte durchs Esszimmer und wieder zurück in die Diele, denn bis ihr einfiel, ihre Mutter auf ihrem Mobiltelefon anzurufen, kannte ihre Energie weder Plan noch Ziel. Mit zitternden Händen hielt sie sich das Küchentelefon ans Ohr, und als sie direkt mit der Mailbox ihrer Mutter verbunden wurde – Sie haben Desdemona Jones und die White Wedding Baking Company angerufen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, dann werde ich sobald wie möglich zurückrufen. Danke für Ihren Anruf, für eine Hochzeit in Weiß ist jeder
Tag ein schöner Tag  –, ließ Oneida den Hörer fallen und sank zu Boden, wo sie sich an die grünen Schränke lehnte, ihre Knie zum Kinn zog und so lange an ihren Lippen herumnagte, bis sie mit den Zähnen ein Stück Haut abgezogen hatte. Sie starrte den mit Magneten und alten Schularbeiten übersäten Kühlschrank an, auf denen Einsen und 95 oder 92 oder 100 Punkte in roter Tinte standen, aber sonst nichts. Ihre Mutter hatte keine Nachricht hinterlassen. Blut in der Diele, keine Nachricht, keine Mona.
    Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie dort saß, aber lang genug, denn die Sonne ging unter, und die Kälte der Nacht legte sich aufs Haus. Sie kniete vor der Blutlache mit einer Rolle Küchenpapier und einer Flasche Windex, als die Tür aufging und Mona, die unter dem Gewicht von Arthur Rook strauchelte, nach Hause kam. Oneida sah sie, bevor sie gesehen wurde. Ihre Mutter hatte alle Mühe, den großen Mann durch die Tür und ins Haus zu bugsieren, und Mr. Rook, der wackelig auf den Beinen war, zerzaust, die Augen groß und glasig, sah aus, als würde er

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