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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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Ruby Falls gegenüber Oneida Jones – im Grunde ein scharfer weiblicher Wolverine , ohne die eisernen Klauen –, die im Wesentlichen unsichtbar blieb.
    Die Idee eines heißen weiblichen Wolverine oder genauer, von Oneida in Wolverines gelbblauem Kostüm, durchzuckte Eugene wie ein momentaner Fieberanfall. Als Dreyer der Klasse den Rücken zukehrte, schlich er sich auf die Toilette. Bei seiner Rückkehr war er entspannt, und ihm war angenehm weich in der Birne; Oneida funkelte ihn mürrisch an und klatschte ihm wortlos ein Blatt Papier auf sein Pult. Darauf stand die Aufgabenstellung, und sie hatte in roten Großbuchstaben an den oberen Rand geschrieben: ERSTES GRUPPENTREFFEN @ DARBY-JONES, SA. 14 UHR.
    Somit bekam Eugen seinen ersten Termin für das Oneida Projekt, wie er es für sich bereits nannte. Bis zum ersten Treffen blieben ihm drei Tage: drei Tage, um herauszufinden, auf welchem Weg er am ehesten Zugang zu Oneida Jones’ Gehirn fand. Ihr Herz, meinte er, würde folgen: Die größere Herausforderung war es jedoch, ihren Geist zu gewinnen, und dies entsprach auch mehr seinen Fähigkeiten. Nach dem Abendessen, wenn Eugene sich für gewöhnlich auf sein Zimmer zurückzog und seine Hausaufgaben zu machen versuchte, was normalerweise in Marathon-Masturbationssitzungen endete, bei denen jede Menge historischer und/oder literarischer Frauen beteiligt waren (Sie lasen Der scharlachrote Buchstabe  – was sollte er also auch sonst tun?), setzte er sich an diesem Abend mit einer Dose Limonade ins Wohnzimmer und verfolgte durch das riesige Panoramafenster wie die Nacht sich auf die Hügel legte.
    Als er schließlich in völliger Dunkelheit saß, musste Eugene sich eingestehen, dass er keine Ahnung hatte, wie er Oneidas Geist erobern sollte. In solchen Dingen war er eine Null. Er verstand die Frauen nicht, obwohl er genug von Oneida begriff, um zu wissen, dass man zwar ein potenzieller Frauenversteher sein konnte, sie dann aber noch immer nicht verstand. Für nichts davon hatte er ein Vorbild, keine Übung und auch keine Bestätigung dafür, dass seine Instinkte nicht womöglich gestört waren. Zuletzt hatte er ein Mädchen namens Lily geküsst, bei seinem ersten und einzigen Aufenthalt im Sommerlager. Sie hatte wie Getränkepulver mit Kirschgeschmack geschmeckt und anfangs auch seinen Kuss erwidert, war dann aber ausgerastet, als er ihr die zuckrigen roten Flecken aus den Mundwinkeln leckte. Es war jedenfalls, gelinde gesagt, eine verstörende Situation.
    Eugene brüstete sich normalerweise damit, der einzige Mensch zu sein, der mit offenen Augen durchs Leben ging, der einzige, der Ahnung hatte, und jetzt sollte er mit seiner Weisheit am Ende sein, noch bevor er sich überhaupt an das Oneida- Projekt herangewagt hatte? Er rülpste leise und zerdrückte die Limodose zwischen seinen Handflächen.
    Im hinteren Teil des Hauses hörte er seine Schwester, die in ihrem Zimmer Bassgitarre übte und sich durch einen Song von den Violent Femmes schrammte, den ihr Vater ihnen vorgesungen hatte, als sie Babys waren (das erzählte er ihnen jedenfalls, Patricia erinnerte sich vielleicht sogar daran, er musste ihm glauben), um ihnen Zählen beizubringen.
    Sie hörte sich gut an. Aber natürlich hörte sie sich gut an, sagte er sich, schließlich tat sie nichts anderes, als Tag für Tag jede freie Stunde Bass zu spielen, sofern sie nicht im McDonald’s an der Route 31 arbeitete. Patricia war vier Jahre älter als Eugene und hatte im vergangenen Frühjahr ihren Abschluss an der Ruby Falls High gemacht. Sie hatte nie Ambitionen gezeigt, aufs College gehen zu wollen. Sie sparte Geld (ihr eigenes Geld, wie sie betonte), weil sie nach New York gehen und dort eine Band ins Leben rufen wollte. Damit aus einem Rattenloch ein Punkrockklub wie der legendäre CBGB s wurde. Eugene fand es ziemlich peinlich – und absolut uncool –, dass Patricia ihre Träume von einer Königin der Subkultur mit einem Job in einem Drive-through-McDonald’s realisierte, aber er hatte schon vor langer Zeit kapiert, dass er bei Patricia lieber den Mund hielt und ihr aus dem Weg ging.
    So war es nicht immer gewesen. Als er noch ein Kind war, hatte Patricia ihn wie ihr Lieblingsspielzeug behandelt, und Eugene hatte jede Sekunde davon genossen. Er war ihr Publikum und ihr Roadie, schleppte ihren Verstärker durchs Haus und nickte weise, wenn sie erklärte, dass diese spezielle Ecke des Wohnzimmers die beste Akustik habe. Sie brachte ihm alles bei, was sie

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