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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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Gesicht hatte, dem man absolutes Vertrauen schenkte, das man jedoch auch sofort wieder vergaß, wenn er den Raum verließ. Auf dem Boden vermischten sich Farbe und Gips, Holzspäne und Lackbatzen. Eugene liebte dieses lässige Chaos auf dem Fußboden und hatte als Kind viele Stunden damit zugebracht, die Muster zu studieren, wie andere Kinder sich auf den Rücken legen und in die Wolken schauen. Er sah darin den greifbaren Beweis für das Genie seines Vaters, sah in den farbenprächtigen Klumpen und Spritzern Jahre harter, brillanter Arbeit.
    An einer Wand lehnte ein mit Schlitzen versehenes Regal, das bis vor Kurzem noch ein paar Warhols und einen Basquiat beherbergt hatte, einen Chuck Close, einige Dalís und einen Balthus, einen Magritte und einen Gauguin und einmal sogar, unvergesslich, einen Munch. Das einzige Werk, das niemals Astors Laden verließ, um in einer Privatsammlung auf der anderen Seite der Welt zu verschwinden, war ein kleiner Miró, der über Astors Schreibtisch hing und auf den er besonders stolz war, weil das Gemälde sich nicht einmal im Archiv befunden hatte, als er es gegen die Fälschung austauschte. Eugene kam nie dahinter, wie es ihm gelungen war, das Original von der Wand und aus dem Rahmen zu nehmen, aber Eugene vermutete, dass diese Aktion den Rahmen der Illegalität, in dem Astor sich normalerweise bewegte, sprengte.
    Eugenes Vater war professioneller Kunstfälscher. Er nutzte seine Position als Wachmann, um die im Museumsarchiv lagernden Kunstwerke einer genauen Betrachtung zu unterziehen und sich je nach Stilrichtung, die zu kopieren er sich gerade in der Stimmung fühlte, eins davon für eine oder zwei Wochen auszuleihen und dann durch die Kopie zu ersetzen, ehe jemand etwas merkte. Sein Partner Terry war der Strohmann, der die Originale durch ein geheimnisvolles Organisationsnetz und Kontaktpersonen weiterleitete, hinter denen Eugene entweder langbeinige Brünette oder eiskalte Russinnen vermutete. Für gewöhnlich vollendete Astor pro Jahr ein bis drei Fälschungen und verdiente damit, je nachdem wie rasch Terry die Originale losschlagen konnte, so viel, dass beide Familien davon gut, aber nicht extravagant leben konnten. Man darf nicht zu sehr auffallen, war Astors Devise, nicht, wenn man bereits genügend gebunkert hatte, um die Kinder drei Mal aufs College schicken zu können.
    Eugene hatte keine Schwierigkeiten damit, dass sein Vater ein Fälscher war. Er fand es nicht besonders unlauter, ein Gemälde durch eine exakte Kopie zu ersetzen, und schon gar nicht, wenn ihm dies die Weihnachtsgeschenke bescherte, die er sich gewünscht hatte. Als der junge Eugene dann die Machenschaften seines Vaters und Terrys in vollem Umfang begriff, fand er sogar, dass es gar nichts Cooleres geben könnte. Seine erste Begegnung mit einer der Fälschungen seines Vaters in der wirklichen Welt hatte er auf einem Schulausflug. Er blieb davor stehen und lauschte der vorbeiflanierenden Menge, bis sein völlig aufgelöster Lehrer ihn fand und mit nach draußen zum wartenden Schulbus zerrte. Einige Leute waren wortlos vorbeigegangen, ein paar gingen mit ihren Gesichtern ganz nah dran, um die Pinselstriche zu untersuchen, ein kleines Mädchen meinte, es wäre das Hübscheste, was sie an diesem Tag gesehen habe, aber keiner von ihnen wusste, dass es eine Fälschung war. Und so brannte sich Astors Philosophie tief in Eugenes Gehirn ein: Solange man sah, was man erwartete, war es echt genug. Und diese Marktlücke wollte Astor Wendell nun wirklich nicht ungenutzt lassen.
    Den größten Teil seiner Kindheit war Eugene wahnsinnig glücklich gewesen. Die Wendells verfügten über jede Menge Geld und jede Menge Zeit, es gemeinsam auszugeben, es gab keine festen Schlafenszeiten, weder Spargel noch Rosenkohl, keine verbotenen Filme. Alle, die er liebte, waren unglaublich lässig, was natürlich auch auf ihn abfärbte, sodass er sich für einen extrem coolen Typen hielt, weswegen er die Tatsache, dass er auf der Schule nur wenig Freunde hatte, als Verlust der anderen und nicht als seinen ansah. Er stellte den Lebensunterhalt seines Vaters nie infrage, genauso wenig wie die bei den Wendells vorherrschende Geisteshaltung. Bis Eugene zehn und Patricia vierzehn waren und die Wendells Urlaub in New York machten. Während der Sommerferien wohnten sie eine Woche lang in einem renovierten Loft in Brooklyn, das einem Freund Astors aus dessen Zeit auf der Kunstschule gehörte (die er abgebrochen hatte, wo er aber auch Terry

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