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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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durfte, das Spiel: Er hat es befohlen, doch der Mann hielt mir den Mund zu, trug mich die Treppe hinunter, nahm mir die Schlinge vom Hals, hob mich auf einen Lastwagen... «
    Joseph versuchte, ihre Hände von seinen Augen zu nehmen, aber sie hielt sie fest und fragte: »Willst du nicht weiterhören?«
    »Ja«, sagte er.
    »Dann mußt du dir die Augen zuhalten lassen, und eine Zigarette kannst du mir geben.«
    »Hier im Wald?«
    »Ja, hier im Wald.«
    »Nimm sie aus meiner Hemdtasche.«
    Er spürte, wie sie seine Hemdtasche aufknöpfte, Zigaretten und Streichhölzer herausnahm, während sie mit der rechten Hand seine Augen fest zuhielt.
    »Ich steck dir auch eine an«, sagte sie, »hier im Wald. - Ich war um diese Zeit genau fünf Jahre alt und so süß, daß sie mich sogar auf dem Lastwagen verwöhnten, sie steckten mir Leckerbissen in den Mund, wuschen mich mit Seife, wenn der Wagen hielt; und man schoß mit Kanonen auf uns und mit
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    Maschinengewehren und traf uns nicht; wir fuhren lange, ich weiß nicht genau, wie lange, doch sicher zwei Wochen, und wenn wir hielten, nahm der Mann, der das Spiel Er hat es befohlen verhindert hatte, mich zu sich, hüllte mich in eine Decke, legte mich neben sich, ins Heu, ins Stroh, und manchmal ins Bett und sagte: ›Sag mal Vater zu mir‹, ich konnte nicht Vater sagen, hatte zu dem Mann in der schönen Uniform immer nur Pappi gesagt, aber ich lernte es sagen: ›Vater‹, ich sagte es dreizehn Jahre lang zu dem Mann, der das Spiel verhindert hatte; ich bekam ein Bett, eine Decke und eine Mutter, die war streng und liebte mich, und ich wohnte neun Jahre lang in einem sauberen Haus; als ich in die Schule kam, da sagte der Pfarrer:
    ›Sieh mal einer an, was wir da haben, da haben wir ja ein ganz unverfälschtes, waschechtes Heidenkindchen‹, und die anderen Kinder, die alle keine Heidenkinder waren, lachten, und der Pfarrer sagte: ›Da wollen wir aber aus unserem Heidenkind mal rasch ein Christenkindchen machen, aus unserem braven Lämmchen‹; und sie machten aus mir ein Christenkindchen.
    Und das Lämmchen war brav und glücklich, spielte Ringelreihen und Hüpfen, dann spielte es Völkerball und Seilchenspringen und liebte seine Eltern sehr; und es kam der Tag, da wurden in der Schule ein paar Tränen geweint, ein paar Reden gehalten, wurde ein paarmal was von Lebensabschnitt gesagt, und Lämmchen kam in die Lehre zu einer Schneiderin, es lernte Nadel und Faden gut gebrauchen, lernte bei seiner Mutter putzen und backen und kochen, und alle Leute im Dorf sagten: ›Die wird noch einmal einen Prinzen heiraten, unter einem Prinzen tut die's nicht‹ - aber es kam eines Tages ein sehr großes, sehr schwarzes Auto ins Dorf gefahren, und ein bärtiger Mann, der das Auto steuerte, hielt auf dem Dorfplatz und fragte aus dem Auto heraus die Leute: ›Bitte, können Sie mir sagen, wo hier die Schmitzens wohnen?‹, und die Leute sagten:
    ›Schmitzens gibt es hier eine ganze Menge, welche meinen Sie‹, und der Mann sagte: ›Die das angenommene Kind haben‹, und
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    die Leute sagten: ›Ja, die, das sind die Eduard Schmitzens, die wohne n da hinten, sehen Sie da, gleich hinter der Schmiede, das Haus mit dem Buchsbaum davor.‹ Und der Mann sagte:
    ›Danke‹, das Auto fuhr weiter, aber alle Leute folgten ihm, denn es war vom Dorfplatz bis zu den Eduard Schmitzens höchstens fünfzig Schritte zu laufen; ich saß in der Küche und putzte Salat, das tat ich so gern: die Blätter aufschneiden, das schlechte weg und das gute ins Sieb werfen, wo es so grün und sauber lag, und meine Mutter sagte gerade zu mir: ›Du mußt darüber nicht traurig sein, Marianne, da können die Jungens nichts dafür; wenn sie dreizehn, vierzehn werden - bei manchen fängt's schon mit zwölf an -, da machen sie solche Sachen; es ist die Natur, und es ist nicht leicht, mit der Natur fertig zu werden‹; und ich sagte: ›Darüber bin ich gar nicht traurig.‹ ›Worüber denn?‹
    fragte meine Mutter. Ich sagte: ›Ich denke an meinen Bruder, wie er so da hing, und ich habe gelacht und gar nicht gewußt, wie schrecklich es war - und er war doch nicht getauft.‹ Und bevor meine Mutter mir etwas antworten konnte, ging die Tür auf - und wir hatten kein Klopfen gehört -, und ich erkannte sie sofort: Immer noch war sie blond und groß und trug einen schnittigen Hut, nur die blaue Uniform trug sie nicht mehr; sie kam sofort auf mich zu, breitete ihre Arme aus und sagte: ›Du mußt meine Marianne sein -

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