Bis Das Feuer Die Nacht Erhellt
aber nur ein mattes: »Scott hat mich zum Billardspielen eingeladen. Ich bin mit ihm hingegangen, und wir haben sie da getroffen.« Ich wollte Vee alles erzählen, was danach geschehen war, aber wie bei Marcie gab es auch jetzt ein paar Dinge, die ich ihr nicht erklären konnte. Wie sollte ich ihr zum Beispiel von dem Nephilim im roten Shirt erzählen oder wie er einen Billardstock durch den Tisch gestochen hatte?
Vee sah aus, als würde sie nach einer Antwort suchen. »Also. Wie ich schon gesagt habe, wenn du erst einmal das Licht gesehen hast, gibt’s keinen Weg zurück. Vielleicht hat Rixon ja einen Freund. Außer Patch, meine ich …« Sie verstummte verlegen.
»Ich brauche keinen Freund. Ich brauche einen Job.«
Vee verzog das Gesicht. »Gerede von Arbeit, brr. Ich versteh nicht, was daran so toll sein soll.«
»Ich brauche ein Auto, und um eins zu kriegen, brauche ich Geld. Daher der Job.« Ich hatte eine lange Liste mit Gründen im Kopf, weshalb ich das Volkswagen-Cabrio kaufen musste: Der Wagen war klein, deshalb konnte man ihn leicht parken, er war sparsam – ein weiteres Plus, wenn man bedachte, dass ich nicht viel Geld für Sprit haben würde, wenn ich erst einmal über tausend Dollar für das Auto selbst hingelegt hatte. Und auch wenn mir klar war, wie lächerlich es war, eine Verbindung zu etwas so Unbeseeltem und Praktischem wie einem Auto zu spüren, so fing ich doch an, es als Metapher für einen Wandel in meinem Leben zu sehen. Freiheit, da hinzufahren, wohin auch immer ich wollte, wann immer ich wollte. Die Freiheit, neu anzufangen. Freiheit von Patch und allen Erinnerungen, die wir teilten, und von denen ich noch nicht wusste, wie ich sie loswerden sollte.
»Meine Mutter ist mit einem von den Nachtmanagern bei Enzo’s befreundet, und sie suchen Baristas«, schlug Vee vor.
»Ich kann nichts von dem, was man als Barista macht.«
Vee zuckte die Schultern. »Du machst Kaffee. Du gießt ihn ein. Du bringst ihn zu den erwartungsvollen Gästen. Wie schwer kann das sein?«
Eine Dreiviertelstunde später waren Vee und ich an der Küste, gingen die Strandpromenade entlang, verschoben unsere Hausaufgaben auf später und schauten unverbindlich in die Schaufenster. Keine von uns hatte einen Job, und daher auch kein Geld, wir vertieften nur unsere Kenntnisse im Schaufensterbummel. Wir erreichten das Ende des Wegs, und unser Blick fiel auf eine Bäckerei. Ich konnte praktisch hören, wie Vee das Wasser im Munde zusammenlief, als sie
ihr Gesicht an die Scheibe presste und in den Doughnutkorb blickte.
»Ich glaube, es ist schon eine Stunde her, seit ich etwas gegessen habe«, sagte sie. »Glasierte Doughnuts, hier kommen wir, meine kleinen Leckerbissen.« Sie war vier Schritte vor mir und zog an den Türen.
»Ich dachte, du würdest versuchen, für die Badesaison etwas abzunehmen. Ich dachte, du hättest schwere Knochen und wolltest die Dinge mit Rixon etwas in die Balance bringen.«
»Du kannst einem ganz schön die Laune verderben. Außerdem, was kann ein kleiner Doughnut schon schaden?«
Ich hatte Vee noch nie nur einen einzigen Doughnut essen sehen, hielt aber den Mund.
Wir bestellten ein halbes Dutzend Glasierte und hatten uns gerade an einen Tisch am Fenster gesetzt, als ich Scott auf der anderen Seite sah. Er hatte seine Stirn an die Scheibe gedrückt und lächelte. Mich an. Erschrocken zuckte ich ein paar Zentimeter zurück. Er bog einen Finger, winkte mich nach draußen.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte ich zu Vee.
Sie folgte meinem Blick. »Ist das nicht Scotty der Hotty?«
»Hör auf, ihn so zu nennen. Was ist aus Scotty dem Potty geworden?«
»Er ist erwachsen geworden. Warum will er mit dir reden? « So etwas wie Erkenntnis erschien auf ihrem Gesicht. »Oh nein, das nicht. Du darfst ihn nicht als Ersatz nehmen. Der bringt nur Scherereien – das hast du selbst gesagt. Wir finden einen netten Pfadfinder für dich, schon vergessen?«
Ich hängte mir die Handtasche über die Schulter. »Ich nehme ihn nicht als Ersatz.«
»Was?«, fragte ich als Antwort auf den Blick, den sie mir zuwarf. »Erwartest du etwa, dass ich hier sitzenbleibe und ihn ignoriere?«
Sie hob die Hände. »Beeil dich oder dein Doughnut kommt auf die Liste der vom Aussterben bedrohten Arten.«
Draußen ging ich um die Ecke, zu der Stelle, wo ich Scott zuletzt gesehen hatte. Er trieb sich bei einer Bank herum, die Daumen in den Hosentaschen. »Gestern Abend überlebt?«, fragte er.
»Ich bin schließlich
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