Bis ich dich finde
hatte recht: Lawrence war ein Lügner und ein Lästermaul. Und Myra
hatte, ganz gleich, ob sie jemals Julia Roberts vertreten hatte oder nicht, ihre
Kontakte zu den Casting Directors, die sie fast allesamt mochten, nicht
abreißen lassen. Selbst wenn [521] Myra niemanden mehr vertrat, riefen die Casting
Directors sie gern zurück.
Bob Bookman, der Emmas Agent bei der C.A.A. gewesen war, bevor er Jacks Agent wurde, erzählte Jack eine Geschichte über
Myras Markenzeichen: ihre Baseballmütze. Sie war kein Anaheim-Fan, sie hatte
nicht einmal viel für Baseball übrig. Ihr gefiel das A auf der Mütze, den
Strahlenkranz dagegen konnte sie nicht ausstehen. »So eine Mütze ist nur für
die Besten«, sagte sie, »aber ein Engel bin ich nicht.«
Laut Bob Bookman kaufte Myra jedes Jahr eine neue Mütze und
entfernte den Strahlenkranz mit einer Nagelschere. »Ich war dabei, es war beim
Mittagessen«, sagte er. »Myra hat den Strahlenkranz abgemacht, während sie auf
ihren Cobb Salad gewartet hat.« Der Salat verlieh der Geschichte
Glaubwürdigkeit, denn abgesehen vom Frühstück sah Jack sie nie etwas anderes
essen als Cobb Salad.
Alan Hergott – der später Jacks Rechtsanwalt wurde – sagte, Myra
hinterlasse auf seinem Anrufbeantworter immer dieselbe Nachricht: »Rufen Sie
mich an, oder ich verklage Sie auf Ihr letztes Hemd!« Das klang nach Myra.
»In dieser Stadt wird man es schnell leid, Dinge zu hören, die man
schon weiß«, sagte Alan zu Jack. »Man versucht, einen interessierten Eindruck
zu machen, während man die Geschichte in Wirklichkeit bereits besser kennt als
der Kerl, der sie einem gerade erzählt. Myra ist anders. Sie weiß immer
irgendwas, das man selbst noch nicht weiß. Ob es stimmt oder nicht, spielt
dabei keine Rolle.«
In Hollywood kursierten ebenso viele Geschichten über Myra Ascheim
wie über Milton Berles Penis. Jack Burns lernte sie kennen, weil sein Schwengel
klein – oder eher klein – war und weil er zuvor
Bekanntschaft mit ihrer Schwester Milly, der Pornoproduzentin, gemacht hatte.
Ja, er wäre den Ascheim-Schwestern vielleicht nie begegnet, wenn er nicht
Lawrence kennengelernt [522] hätte, und das war nur geschehen, weil dieses
Lästermaul scharf auf Emma gewesen war. (Wie er Emma kannte, hatte sie
wahrscheinlich instinktiv gespürt, daß sie sich nicht auf Lawrence einlassen
durfte – entweder wäre sein Schwengel zu groß gewesen, oder er hätte sich
geweigert, unten zu liegen.)
»Eigentlich bin ich keine Agentin mehr«, sagte Myra zu Jack beim
Frühstück im Marmalade. Sie saßen an einer Art Picknicktisch – es war wie bei
einem Pfarrfest. »Meine Schwester und ich haben eine Firma für Talentmanagement
gegründet.« Angesichts seiner flüchtigen (aber spezifischen) Bekanntschaft mit
der anderen Ascheim-Schwester war Jack ein wenig verwirrt. Andererseits war er
fest entschlossen, nie verstehen zu wollen, wie die Filmindustrie
funktionierte. Jack Burns war von Anfang an klar, daß sein Job darin bestand,
einen Job zu bekommen. Schauspieler war er ja bereits.
Ein Mann hatte am einen Ende des Picknicktischs eine Zeitung vor
sich ausgebreitet. Er saß neben Jack auf der Bank und murmelte vor sich hin,
als hegte er einen lebenslangen tiefen Groll gegen Nachrichten. Am anderen Ende
des Tischs, näher an Myra als an Jack, saß eine vierköpfige Familie: ein
junges, abgekämpft wirkendes Paar mit zwei streitenden Kindern.
Wie Rottweiler war auch Myra über Bruno Litkins’ Namen in Jacks
Lebenslauf gestolpert. »Der schwule Kranich«, wie Jack ihn nannte, war der
einzige brauchbare Name unter Jacks frühesten Förderern. »Ich nehme an, Sie
sind kein Transvestit«, sagte Myra. »Sie können bloß wie einer aussehen.«
»Ich kann bloß wie einer aussehen«, bestätigte er.
»Wenn ich das Gefühl habe, daß es demnächst ein größeres Angebot von
transsexuellen Rollen geben wird, sage ich Ihnen Bescheid, Jack.«
Die Kinder am Tischende gingen ihr auf die Nerven. Der kleine Junge
(er war vielleicht sechs oder sieben) hatte ein Müsli mit Bananenscheiben
bestellt und dann alle Bananenstücke [523] herausgefischt. Er wollte ein Stück
Speck von seiner älteren Schwester, doch die weigerte sich, es ihm zu geben.
»Wenn du Speck willst, hättest du welchen bestellen sollen«, sagte ihm seine
Mutter immer wieder.
»Du kriegst dafür meine Bananen«, sagte der Junge zu seiner
Schwester, aber sie wollte nicht tauschen – nicht gegen Bananen.
»Schau, da kannst du was lernen«,
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