Bismarck 01
sind die Tollsten, aber die annektierten Rheinländer sind auch nicht übel. Da sind v. Heydt und Hansemann und Ludolf Camphausen aus Köln, da ist Beckerath. Ja, und Herrn Georg v. Vincke müssen Sie hören! Das ist ja die reine Konventrednerei! Ein Liber Baro aus Westfalen!«
»Hm!« Bismarck überlegte. Den Kopf konnte es ja nicht kosten, lange dauerte die Session nicht, dann die Hochzeit ... Die Magdeburger Stände beleidigen hieß jede Hoffnung auf ständische Lebensunterstützung aufgeben. »In Gottes Namen, ihr habt mich!« –
*
Es folgten aber zweitägige Konferenzen über ständische Patrimonialfragen so angreifender Art, daß der schwächere Herr v. Bülow einen Ohnmachtsanfall bekam und der riesige Otto sich Kopfschmerzen holte. »Ich sterbe Hungers, Papa«, rief er dem alten Puttkamer zu, der ihn mit seinem Freunde v. Thadden und dem jüngeren Herrn Alexander v. Below-Hohendorf im Café Royal erwartete, alle wegen Landtag in Berlin, »und habe Migräne vor Aufregung. Am Vormittag bin ich mit allerlei Landmarschällen und Präsidenten – Name unter Diskretion – indiesem gottlosen Berlin herumgerannt, und nachher die Konferenz – brr!«
»Na, Ottochen, du Kleiner, wie dich Nanne nennt,« schmunzelte der Alte, »dafür ist Auerhahn gut, hab' ich mir sagen lassen. Der famose Vogel, den Mama dir geschickt hat – du hast ja 'nen Zahn auf solche Chosen –, liegt seit vorgestern in der Beize und hier haben wir ihn gut braten lassen. Das wird deinen zarten Korpus wohl restaurieren.«
Das Diner verlief flott und angeregt. »Um Gottes willen, schon wieder Champagner, den ich dir streng verbot!« jammerte von Thadden, als der alte Puttkamer kräftig der Pulle zusprach. »Und noch Zigarren!«
»Was kann das schlechte Leben helfen! Unser Herr ärgert sich, wenn wir seine schönen Gottesgaben unbenutzt lassen!« lachte der heitere alte Herr. »In Gegenwart von Otto nicht trinken und rauchen ist überhaupt eine Majestätsbeleidigung für seine allerriesigste Person!«
»Prost, Papa!« Der Riese stürzte sein Glas hinunter. »Nun erzählt aber mal, wie ihr die Dinge hier anseht!« Jeremiaden, gedämpft durch Verlegenheit. Der Landtag hatte damals dem König, der in rednerischen Künsten schwelgte, geduldig zugehört. Er hatte ja ein geistvolles Gesicht mit gewölbter Stirn, doch »stand ihm die Uniform nicht gut, mit Respekt zu melden«, murmelte Herr v. Below halblaut. Den endlosen Schwulst nahm die Versammlung zu sich, aber leider ohne ihn zu verdauen, und ging unwillig auseinander. Halblauten Äußerungen der Enttäuschung folgten laute Ausbrüche der Entrüstung bei den radikal Gesinnten.
»Ein Skandal, sag' ich dir!« trauerte der alte Puttkamer. »Seid untertan der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat, sagt die Heilige Schrift. Diese Heiden wollen die göttliche Weltordnung nicht gelten lassen, das ist ihr großes Verbrechen. Je nu ja! Auch ein König von Gottes Gnaden is ja am Ende ein sündiger Mensch, und Se. Majestät kann ja wohl möglichenfalls auch irren. Aber er ist doch von Gottes Gnaden erleuchtet, sozusagen vom Heiligen Geist.«
»Das wollen wir nich' so beschreien!« brummte v. Thadden launig und fügte halblaut hinzu:
»Der Heilige Geist kann keine Dummheiten machen, und ein König – du sagst ja selbst, ist ein fehlbarer Herr. Womit ich natürlich nichts gesagt haben will. Doch die Stimmung unter den hohen Beamten, mit denen ich verkehre, ist ungünstig.«
»Von der Bevölkerung hier ganz zu schweigen«, fiel Herr v. Below ein, der verdrießlich und gleichsam pantomimisch an einer Knackmandel des Desserts kaute. »Ich bin natürlich pflichtschuldigst außer mir über diese Tonart, aber – aber! Die öffentliche Meinung – die allgemeine Bildung –«
»Lieber Freund,« unterbrach ihn Bismarck stirnrunzelnd, »Sie sind gewiß ein wohlerzogener junger Mann und ungeheuer gebüldet.Pardon, wir sind ja en petit comité und etwas angeheitert. Aber mit der allgemeinen Bildung lassen Sie mich zufrieden, das ist auch so eine öffentliche Schablone, von der ich nichts halte. Na Prost! Ich werde mir morgen die Budike besehen! 9. Mai 1847!«
Das tat er denn. Die Rheinländer mit ihren überkommenen Phrasen aus der Franzosenzeit fielen ihm auf die Nerven und rührseliges Pathos des Herrn Beckerath mißfiel ihm. Dabei gewann die Opposition nicht nur täglich an Boden, gestützt auf allgemeinen Beifall der Städte, der Zeitungen und der besseren Berliner Gesellschaft, sondern sie spitzte sich
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