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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Unterlassungssünden, obschon ich als Sündenbock der Kleinmütigkeit herhalten werde«, schloß der alte tapfere General bitter. »Ich werde Ihrem Kommandanten in der Lausitz befehlen, daß er Sie hier beläßt, komme was wolle.« –
    Otto nahm es auf sich, den Justizrat Geppert für die traurige Auffassung zu gewinnen, daß man klein beigeben müsse, trotzdem das gekränkte Nationalgefühl eine Sühne heischte. Geppert, Führer der rechten Seite des Zentrums, ließ sich widerstrebend bewegen, für die Regierung einzutreten, wenn diese zu Kreuze krieche. Die Stimmung in Berlin blieb trotz turbulentem Säbelrasseln mit Papier und Tinte um so gedrückter, als Rußland sich übelwollend verhielt und Frankreich Lust zeigte, am Rhein zu profitieren.
    »Man spräche davon, sich mit Österreich gütlich abzufinden und die einmal aufgebotenen Massen nach Frankreich zu werfen«, berichtete Wagener in der Redaktion, wo Otto sich informieren ging. »Der Prinz von Preußen soll dafür sein, um jeden Preis einen Krieg zu führen.«
    »Er ist viel zu klug, um solche Schimäre auszuhecken. Wir sind in keiner Weise gerüstet. Setzen Sie in Nr. 269 der Zeitung morgen auseinander, was die Rechte befürwortet: Einteilung in Interessensphären, so daß Preußen und Österreich allein zusammen die Exekutivgewalt über die Kleinstaaten haben. Nur so ist ein ehrenvoller Ausgleich möglich. Den Sturz Manteuffels müssen wir mit allen Mitteln hindern.«
    »Die Wogen gehen hoch gegen ihn, auch bei Hofe.«
    »Ich weiß wohl, Radowitz und seine Hampelmänner Heydt und Ladenberg im Ministerium, die gegen ihren Chef intrigieren.Sie weben immer noch am Kaisermantel, wurmstichigem Hermelin mittelalterlicher Tradition, zugeschnitten nach moderner Revolutionsmode. Mir brennen die Sohlen vom Herumlaufen, um vernünftige Menschen zu entdecken. Ich wäre auch lieber Diogenes in der Tonne, als mit der Laterne auf der Straße. Schreiben Sie recht deutlich. Sie seien durch diplomatische Aufklärungen in den Stand gesetzt usw.«
    »Manteuffel sieht sehr schlecht aus, als wäre er ein Todeskandidat; er wird noch Nervenfieber bekommen, wenn die Linke ihn weiter der Bestechlichkeit und Feigheit beschuldigt. Übrigens ist der russische Gesandte Meyendorf auf Urlaub, d. h. abberufen. Der Zar soll geäußert haben, er könne seinen besten Diplomaten nicht als Irrenarzt entbehren. Baron Budberg, bisher Geschäftsträger in Frankfurt, vertritt ihn.«
    »Den kenn ich von früher her, wo er hier Attaché war. Er verkehrte bei uns im ›Kasino‹, das hat auf seine satirischen Rapporte aus Frankfurt abgefärbt, die den Zaren sehr belustigt haben sollen. Wenn aber ein Ausländer hochherab die deutschen politischen Professoren verspottet, habe ich dabei sehr gemischte Gefühle landsmannschaftlicher Solidarität. Es wurmt mich doch, daß der Michel als Hanswurst von hochnäsigen Moskowitern ausgelächelt wird. Mit Meyendorf sprach ich neulich, Budbergs Hohnberichte haben insofern genützt, als der Zar den deutschen Liberalismus nicht mehr ernst nimmt. Er hält Österreich für stärker und zuverlässiger, bedauert aber das altbefreundete Preußen, und wird seine Hand nicht zu unserer Demütigung hergeben, zumal er ein Eingreifen der ihm so tödlich verhaßten französischen Republik fürchtet.«
    »Das wäre ja ausgezeichnet,« rief Wagener erfreut, »wenn uns Rußland nur einigermaßen den Rücken deckt, werden wir den nötigen Aufschub gewinnen, um gegen Österreich die Rüstung zu vollenden.«
    »Und Rußland behält das Schiedsrichteramt«, betonte Otto bitter. »Nun gut, Stockhausen braucht sechs Wochen, um schlagen zu können, die müssen wir ihm in Kammer und Presse durch versöhnliche Reden verschaffen. Es ist zum Teufelholen, dieser bankerotte Donaustaat fordert uns zum Kapitulieren auf. Nur um Gotteswillen keine moralischen Eroberungen mehr, keine Oratorien von rührendem Deutschtum, das wir tugendhaften bescheidenen Preußen um einige Belohnung anbetteln!« –
    Gerlach fand er jedoch umgekehrt allzu friedensbedürftig. »Oesterreich hat den Rechtsstandpunkt für sich, Radowitz hat Kassel ganz gegen Völkerrecht besetzen lassen, in dieser Patsche stecken wir nun. Ein Ministerium Pathow-Camphausen-Vincke im Kriegsfall ist unser Ruin.«
    »Nun, dann wären die Herren ja so weit, wie ich immer sagte, mit ihrer Losung: Alles muß ruiniert werden, damit auf den Trümmern irgendeine Utopie erblühe. Aber wenn's zum Schlagenkommt, sind solche fromme Wünsche ebenso

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