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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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nichtig wie der Rechtsstandpunkt, der immer ein kitzlich Ding ist bei Völkerzwisten. Wer die Macht hat, hat das Recht.«
    »Das sind höchst unmoralische Ansichten«, Gerlach bekreuzigte sich sozusagen. »Und wenig konservativ, verzeihen Sie mir.«
    »Nur zu! Als ob wir immer so penibel wären! Viele, die auf die Verfassung vereidigt sind, würden sich nicht lange besinnen, sie zu durchlöchern. Sollen wir dulden, daß die Herren Kroaten sich zwischen unsern östlichen und westlichen Provinzen in der Lausitz aufstellen, als lebten wir in schönsten Siebenjährigem Krieg? Den Vers, »Ja, eine Grenze hat Tyrannenmacht« kann man paraphrasieren: Ja, eine Grenze hat die Lammsgeduld.«
    »Man merkt, wie jung Sie noch sind«, fertigte der alte General spitz ab. »Es wäre ein Triumph der Revolution, wenn die zwei monarchischen Armeen sich zerfleischten, Tertium gaudens . Die Schadenfreude der Roten möchte ich sehen! Sie hetzen also für Bruch und Krieg?«
    »Ich hetze überhaupt nicht und verbitte mir solche Ausdrücke. Ich arbeite mit Händen und Füßen für den Frieden. Doch bei allzu frecher Unverschämtheit des bankerotten Österreich bin ich eben dafür, daß wir uns nichts gefallen lassen, sonst stehen wir blamiert vor Europa da.«
    »Europa! England hält uns platonische Vorlesungen gegen den Krieg, so schön wie Büchsel neulich über 90. Psalm gepredigt, und läßt uns dann feierlich im Schlamassel sitzen. Frankreich sorgt sich zärtlich um die arme deutsche Nation und sucht deshalb eine Kaiserkrone für seinen neuen Präsidenten im Kölner Dom. Unser einziger Allierter wäre der re traditore , wie Konservative und Revolutionäre ihn beide nennen, in Turin, für den wir Kastanien aus dem Feuer holen würden.«
    »Ganz recht, und siegen wir mit Hilfe der deutschen Demokratie, wird sie ihre Wunden als Rechnung präsentieren, zahlbar auf Sicht. Das alles weiß ich. Aber Sieg bleibt Sieg, und die unheilbarste Niederlage wäre die ohne Kampf.«
    »Sie werden sich auch noch die Hörner ablaufen und Wasser in Ihren Wein schütten. Wissen Sie, was Stockhausen einer gewissen sehr hohen Person erwidert hat, die ihm beleidigende Vorwürfe machte? ›Ich kenne keine Ehre, die anfängt, wo der gesunde Verstand aufhört.‹ Morgen fährt Manteuffel zur Konferenz mit Schwarzenberg nach Oderberg und bringt uns den Frieden heim. Die rheinischen Stellenjäger werden uns nicht besoffen machen mit dem Gebräu, das sie preußische Ehre nennen.«
    »Könnt ich Ihnen doch so beipflichten, wie in Ihrer Verachtung dieser Simulanten! Doch die Kriegshitze der bewußten hohen Person werden Sie wohl nicht im Verdacht haben, daß sie aus unlauteren Motiven hervorgeht. Nun, hoffen wir das Beste von Manteuffels Reise, die mir eigentlich auch nicht recht gefällt,das heißt doch, dem Frieden nachlaufen. Doch, qui vivra verra .« –
    Die Straßen lagen voll Schnee und aufgeweichtem Schmutz. Die Rinnsteine in der Bernburger Straße liefen über. Die Stadt befand sich in fieberhafter Aufregung. Überall sah man Büsten von Robert Blum, des »Märtyrers der Revolution«, vor denen Landwehrleute in Uniform ihre Andacht verrichteten, nachdem man vorsichtig diese Abbilder eines fanatischen Antipreußentums mit schwarzweißen Schärpen und Kokarden behängte. Die Mobilmachung nahm ihren Fortgang. Schwester Malwina erzählte weinend, auf ihrem Gute Kröchlendorf seien alle Leute ohne Ausnahme bei der Fahne. Der alte Vetter Theodor v. Bohlen stolzierte zur Ritterstraße als Chef einer Pommernbrigade. Ottos Leibschneider Sasselberg weinte vor Schreck, als ihm bedeutet wurde, gewisse lange Schnürgamaschen müßten bis zum Abend fertig werden, und weinte vor Freude, als Otto es wieder abbestellte, es habe keine Eile. »»O Jotte doch, Krieg! Solch Malheur für friedliche Bürger und Gewerbetreibende! Jedes Geschäft geht Pleite, und man war wieder so schön im Zuge.« So denkt der Philister überall, seufzte Otto, und wurde wiederholt grob, weil die Leute ihn auf der Straße und in seiner Wohnung mit Fragen überliefen, als sei er ein Großsiegelbewahrer von Staatsgeheimnissen. Er wußte so wenig wie ein anderer und befaßte sich damit, Rezepte für Nanne und die lieben Bälger aufzuschreiben. Noch glaubte man nach einer ziemlich energischen Thronrede an Krieg. Doch der österreichische Gesandte in Berlin, Herr v. Prokesch-Osten, wußte es besser. Er verlangte kategorisch Räumung von Hessen binnen 48 Stunden oder seine Pässe, und Manteuffel erbat sich

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