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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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inne werden, sie seien eines Stammes.«
    »Ich höre immer Deutsch«, maulte Lynar krittelnd. »Sie sind doch ganz Preuße.«
    »Deshalb ganz Deutscher. Das eine schließt das andere nicht aus.« – –
    Der Cowley-Ball war glänzend. Man spielte um Mitternacht die hehre Nationalhymne God save the Queen , englische Wappen und der Union-Jack erstrahlten transparent vom Sims bis zum Estrich an den Wänden, und die Spiegel warfen das erhebende Bild zurück, wie die Edelsten aller Nationen zum Kotillon antraten. Thun mit seinem Satyrlächeln liebte so sehr das Hüpfen, doch der belgische Gesandte Graf Briey und der steife Lord Cowley selber gaben ihm nichts nach. Allen tat es der französische Marquis zuvor. Der Kotillon dauerte zwei Stunden. »Ah la vieille roche!« hauchte der Gesandte von Hessen-Darmstadt dem interimistischen und bald wirklichen Vertreter Preußens, das er von ganzer Seele haßte, liebevoll zu. »Frankreichs alter Adel! Dies Vorbild feiner Sitte! Und diese echte Frömmigkeit, worin uns ja auch unser edler Präsident voranleuchtet!« Thun richtete soeben innige Blicke auf die unendliche Dekolletierung einer keuschen Britendame aus hohen Kreisen, der zu tun fast nichts mehr übrigblieb. »Doch ich vergaß, Euer Exzellenz sind Protestant.« Er grüßte verbindlich und bat sehr devot die Gräfin Thun um einen künftigen Walzer.
    Der Tausendsassa! Da gab er mir fein zu verstehen, daß Hessen-Darmstadt unbedingt den katholischen Mächten folgt, nicht ohne Beigeschmack eines Schmachtens nach neuer Rheinbundszeit. Welch ein Meisterstreich! Er wird es seinen Kollegen Reinhard und Holzhausen im Siegel tiefsten Vertrauens ins Ohr flüstern, damit sie es in allen Salons unter dem gleichen Siegel öffentlich verbreiten. Diese antipreußische Clique denkt uns brüskieren zu können. Wir werden ja sehen.
    »Der prächtige Tallenay!« räusperte sich neben ihm eine Stimme. »Ein Naturwunder! 65 Jahre alt! Wer möchte das glauben!«
    »Wie beliebt? Ich dachte: 55«, wandte sich Otto zu dem Redenden um. Es war Herr v. Nostitz, der sächsische Gesandte, ein kluger Fuchs.
    »Ach nein! Ich bin informiert. Entre nous soit dit ,« er dämpfte den Ton, »er färbt seine weißen Haare, natürlich grau, damit es natürlicher aussieht. Natur, o Natur! Nein, da prangt doch unser herrlicher Thun in anderer Jugendfrische. Die Österreicher sind unverwüstlich, an ihnen nagt nie der Zahn der Zeit. Apropos,« er hob sich auf den Zehenspitzen, um Otto ins Ohr zu tuscheln, »muß er sich ewig dazu bequemen, seine Unterschrift zu leisten als Monsieur Marquis Tallenay statt Monsieur le Marquis de Tallanay, um nicht die Egalité zu verletzen? Ah les Republicains sont trop drôles! Au revoir, mon cher confrère, bonne chance! «
    Wieder ein Meisterstreich, spottete Otto in sich hinein. Wie fein er mir zu verstehen gibt, daß Sachsen nur zu Österreich hält. Die Beziehungen der Großmacht Sachsen zu Frankreich sind entschieden erkaltet. Wir Sachsen fürchten nur Republiken und sonst nichts auf der Welt, am wenigsten Preußen, falls dieses etwa gar mit Republik Frankreich liebäugeln sollte aus liberalen Aufwallungen. Österreich allein ist unser Leibgericht, es ist die politische Hostie für alle deutschen Kleinstaaten, die ihren Beruf verstehen, denn wofür sind sie da? Um Preußen zu isolieren und einzukreisen. Es scheint jetzt die Losung ausgegeben, mit leisen Drohungen zu schikanieren und ausnahmsweise Farbe zu bekennen. Denn Preußens Langmut und Schwäche kennt man ja, unzarte Winke fallen dort immer auf guten Boden. Na wartet, meine Lieben, bis ich erst hier freie Hände habe!
    Der Ball dauerte bis 5 Uhr morgens. In der gräßlichen Langeweile hatte Otto nur einen Genuß: die Höllenqual des guten Marquis, mit dem sich ein anwesender hoher Gast, die Herzogin von Cambridge, in einer unbekannten Sprache unterhielt. Man konnte nur erkennen: Englisch war es nicht, es hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Französischen. Das ganze diplomatische Genie Tallanays erschöpfte sich im Erraten. A merveille! Auch die beiden jugendlichen Töchter der Herzogin handhabten dies Volapük und Esperanto der Zukunft, das berühmte Anglo-Französisch, eine etymologische Entente Cordiale . Kein Zweifel, die Annäherung der Westmächte ist eine vollzogene Tatsache. Thun schickt morgen einen ellenlangen Bericht nach Wien. An den Vertreter Preußens verschwendete die Herzogin nur ein paar flüchtige Worte.
    »Der Herr Baron spricht Englisch wie ein

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