Bismarck 04
Coimbra fand und hiermit Wellingtons Berglinie von selber unhaltbar wurde. Übrigens scheint erst am 19. eine strategische Auffassung in Mackensens Disposition hinein, bisher wollte er nur »schlagen«, Hauptschlacht um jeden Preis. »Befreiung Lembergs« war aber nur ein politisches, kein militärisches Ziel.
So drängt sich auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Borodino auf. Hier verwarf Napoleon den Umgehungsvorschlag Davouts aus triftigen lokalen Gründen, der Zentrumstoß glückte, im Vertrauen auf seine bessere Artillerie und Infanterie gewählt, an Kavallerie besaß er große Überzahl, was nachher für Verfolgung ins Gewicht fiel. Zuletzt stand Div. Friant so weit vorn wie Prinz Eitel bei Pily. Die Opfer waren furchtbar, doch »wir hätten mehr gelitten als die Russen, wenn sie nicht Wiedereroberung versuchten«, wodurch sich zuletzt ihr Verlust wie 5 zu 3 gestaltete. So auch bei Lemberg. Hier aber endet die Ähnlichkeit. Erstens war die Borodinostellung der Russen unverhältnismäßig schwächer, zweitens schlugen sie sich heldenmütig, was man bei Lemberg höchstens fürs 8., 23. K. behaupten darf, Mackensens Sieg ward schon hierdurch erleichtert, drittens war damals das Kampfobjekt Moskau für beide Parteien hundertmal wichtiger als hier Lemberg. Napoleon durfte wirklich keinen Tag verlieren, mußte die stets ausgewichenen Russen zur Schlacht stellen, diese aber konnten ihre heilige Hauptstadt nicht ohne Schwertstreich entblößen. Nichts davon durfte bei Lemberg einen Strategen bestimmen. Gewiß war für jede Partei von hoher Prestigebedeutung, ob Lemberg fiel oder sich hielt. Doch fallen mußte es, sobald Böhm und Linsingen sich bis zum Dnjestr durcharbeiteten. Ob es 8 Tage früher oder später fiel, war völlig gleichgültig, Zeitnot drängte nicht. Iwanow handelte aber auch verkehrt. Die Wiedereroberungsversuche besonders Brussilows steigerten nur eigenen Verlust; wäre man ruhig Tag für Tag zurückgegangen, so hätte man den Gegner das für ihn einzig Schlimme zugefügt: Schmälerung seiner Kräfte ohne entsprechende Wiedervergeltung. Das war ja gerade das Wunderbare bei Hindenburgs Vernichtungsschlachten, daß sie so unglaublich billig zu stehen kamen, denn den Luxus großer Verluste durften die Mittelmächte sich nicht gestatten.
Daß die Brandung aus Süden auch zu Weichsel und Bug hinaufschlagen und dortige Linien unterhöhlen werde, ließ sich voraussehen. Aus der klassischen russischen Meldung »In Lemberg hört man Gewehrfeuer« hörte man nicht heraus, daß Lembergs Fall auch Rückzüge der Dnjestr- und Pruth-Armee nach sich zog. Politische Gründe geboten aber, sich an der beßarabischen Grenze möglichst stark zu halten, so daß dort noch später Pflanzer alle Hände voll zu tun bekam, ebenso der von Linsingen am Dnjestr-Stryj belassene Heerteil Bothmer. Mackensens und Böhms Vormarsch nach Norden und Osten hatte es zunächst leicht, hier stellten sich keine ordentlichen Befestigungslinien entgegen wie im Norden, wo das vorspringende Festungsdreieck der Weichsel Georgiewsk–Warschau–Iwangorod nördlich durch die Festungskette bis Kowno gedeckt wurde. So verrückte sich dort die Frontlage bis Kurland im Juni noch nicht und der Laie, der nach äußeren Raumgewinn urteilt und dem alle »Siege« gleich sind, ohne die Bezahlung dafür zu kennen, erhob ein Hosiannah für den neuen Stern Mackensen. Wie mag Meister Ludendorff bitter gelächelt haben!
XVII. Statistik
Indem die 11. A. nordwärts umschwenkte, bot das nächste Ziel Cholm, Knotenpunkt von Bahnlinien. Bei Krasnic-Zamosk konnte man den Zusammenhang der russischen Gruppen lockern und möglichenfalls später Iwangorod im Rücken bedrohen. Böhm füllte den verlassenen Raum im Osten, nahm aber später Front nach Nordosten, Linsingen mehr nach Osten, bisher nordwärts gerichtet. Umgruppierung und Verlegung der Etappen erforderten freilich Zeit, doch wenn die Kämpfe bis Mitte Juli nicht viel zu bedeuten hatten, so sah sich Mackensen dann bis Ende Juli ungebührlich stillgelegt. Die Hoffnung Nikolais trog zwar, der mittleren Weichselstellung Luft zu machen, wo die 4. A. Ewert vor Woyrsch zurückwich. (Dessen herrliche L. W. litt leider erheblich, sonst blieb der Nordkampf bis zum Njemen stationär, nur daß Eichhorn den Gürtel um Kowno etwas enger schnallte. Ludendorff wartete auf das Signal zum Losbrechen, sobald Lemberg fiel, was aber so lange währte. Das schloß nicht aus, daß sich Gallwitz schon ernst verbiß, um russische
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