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Bismarck 04

Bismarck 04

Titel: Bismarck 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Die Sieger von Charleroi bei St. Quentin, die Erstürmer von Antwerpen an der Yser, die aus furchtbaren Septemberkämpfen losgelösten 6., 2., 1. A. an der Westfront im Oktober? Und dies nach aufreibenden Märschen oder Verladungen! Focht man in Arras- und Champagneschlachten, bei Verdun, an der Somme nicht ununterbrochen gegen gewaltige Übermacht, schlugen nicht die im November bei Cambrai zurückgedrückten Teile Belows im Dezember den Feind aufs Haupt? Hier aber handelt es sich um unangefochtenen Siegeslauf Hutiers gegen keine oder unerhebliche Übermacht. Muß man daraus folgern, daß die Truppengüte sich am Kriegsende bedeutend verschlechterte? Wir glauben nicht. Solche Klagen sind uralt, Friedrichs Heer entbehrte immer mehr der Veteranen, »bei Prag fielen die Säulen preußischer Infanterie«, doch es folgten Roßbach und Leuthen auf Kollin, Liegnitz und Torgau auf Hochkirch und Kunersdorf, in Sieg und Niederlage kämpften die Kantonsrekruten und eingestellten Überlaufer gleich gut, gerade die Niederlagen waren Ruhmestage preußischer Tapferkeit. Ebenso klagte Napoleon über Schlechtwerden seiner Heere, doch 1809 stritten sie mindestens so gut, wie bei Auerstädt – Eylau – Friedland, 1813 unter den Augen des Kaisers bei Lützen und Leipzig noch heldenhafter als bei Borodino, obschon er seine jungen Milizen »Hundsvötter« schimpfte, 1814 taten seine Milizen Wunder in verzweifelter Lage. Bei Lee's Milizen merkte man kein Nachlassen bis zuletzt trotz Hoffnungslosigkeit der Gegenwehr, Gambettas Milizen schlugen sich teilweise besser als die meisten Korps der kaiserlichen Troupiers. (Denn wenn sie bei Wörth jede Erwartung übertrafen, so sind bei St. Privat ganze Brigaden ausgerissen, und außer K. Ladmirault – nicht dem gepriesenen K. Canrobert – leistete man nur Notdürftiges.) Logik: ein Heer wird nicht schlechter, sondern besser durch die Macht der Gewohnheit, dem Ersatz flößt sich bald die gleiche Atmosphäre ein. Und wäre es nicht beschämend, daß drüben die Verbündeten unter höchst mißlichen Verhältnissen, wo noch viel mehr »alte« Kämpfer weggerafft, sich tapfer bis zum Ende hielten?
    Nun, es stand ja sicher nicht so, Hutiers Truppen befanden, sich sicher in guter Stimmung und konnten gar nicht an besonderer Aufzehrung leiden, weder Verlust noch Anstrengung und Kampf waren ungewöhnlich hart gewesen. Wenn diese stärkste Armee nirgends mehr entscheidend eingriff und auch ihr kurzer Angriff am 10. Juni erlahmte, so hat man sie von oben her mit Zweifel angesteckt, die Truppen aber ihr Vertrauen zur Oberleitung verloren. Man versprach zu viel, der feindliche Widerstand verdutzte, nach so glücklichem Anfang. Es muß gesagt werden, daß ein innerer Wurm an diesem letzten Heere Deutschlands fraß, das unter so glänzenden Aussichten sich von Frühlingssonne bescheinen ließ. Der »gemeine Mann« fühlt instinktiv, da der Instinkt des Heeresgeistes besonders in einem Volksheer wunderbar fein derlei herausspürt, daß etwas »faul«, »nicht richtig« sei. In welcher meuternden Unzufriedenheit und physischer Herabgekommenheit fand Bonaparte die »Armee von Italien«! Doch großer Feldherrnwille ringt auch unzulänglichen Elementen der Menschennatur Unglaubliches ab. Dieser feurig belebende Geist, der einst bei Hindenburg-Ludendorffs erstem Aufflammen alle Glieder der 8., 9. A. durchzuckte, wo war er hier? Ein erkältender Hauch schlich um, Mißtrauen in der Oberleitung sachgemäße Berechnung. Es war berechtigt. Auch der Nordangriff krankte an dem Gemisch von Zögern und Überstürzung, der diesmal alle Maßregeln kennzeichnete, er war zuerst verspätet und jetzt verfrüht. Wollte man ihn schon am 9. April loslassen, so hätte man schon früher als 4. bei Amiens-Montdidier ablassen sollen, um genügende Kräfte nach Norden zu schieben. Quasts und Armins Angriff begann nur mit 21 Div. Man hätte sogleich die hinter Hutier und Marrwitz aufgehäuften Reserven und die erst viel später aus der Kronprinzenfront entsendeten 9 dorthin senden sollen, doch letztere kamen viel zu spät, auch 5 D. Belows, 1 Marrwitz (25.) erst nach und nach hierher. Die 30 engl. D. zu Neujahr bei Ypern waren wohl nicht wesentlich verringert; Foch hatte, wie er Mitte April glaubte, so viel Reserven zu schicken, als er wollte! Die Kräfte glichen sich also mehr als aus und der Kemmelgewinn bleibt eine deutsche Großtat. Daß aber Armins Heldenscharen, die vorigen Herbst so Unsägliches aushielten, auch nicht

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