Bist du mein Kind? (German Edition)
alle Gedanken. Ich will jetzt einfach nur mal abschalten.
Nach etwa einer Stunde ausgiebigen Pflegens fühle ich mich ganz gut und mache mich wieder auf den Weg zur Terrasse. Im Vorbeigehen stelle ich fest, dass die Küche aufgeräumt ist und dass die Spülmaschine läuft.
Meine drei Rittergestalten sitzen am Tisch und spielen Karten.
Bin ich denn jetzt hier im Kindergarten? Aber wieso nicht. Wir müssen ja auch mal etwas anderes tun, als immer nur über Probleme diskutieren. Spontan entscheide ich, für den Rest des Tages so zu tun, als wäre meine Welt komplett in Ordnung.
Ich setze mich an den Tisch und beobachte die drei. Diese Ruhe und Idylle sind wirklich himmlisch.
Gefühlte zehn Sekunden später wird das Geplapper der Jungs lauter und sie stehen, in Handtücher eingewickelt am Tisch.
„Mama, wir haben Hunger“, sagt Leon. Wer sonst. Er hat eigentlich immer Hunger.
„Waffeln“? frage ich nur. Begeistertes Kopfnicken.
Ich verschwinde in der Küche und backe den größten Stapel Waffeln meines Lebens.
Während ich damit beschäftigt bin, fühle ich mich entspannt und summe vor mich hin. Eigentlich ist mein Leben schön.
Ich habe drei Kinder, die vollzählig anwesend sind. Zwei Männer, die ich beide liebe und einen Psychologen, der mir ein Freund geworden ist. Wer kann das von sich behaupten?
So vertrödeln wir den Tag ohne weitere Probleme zu wälzen. Es gibt keine heißen Liebesschwüre und keine Ehe-Diskussionen. Es gibt nur gute Laune, leckeres Essen, denn natürlich essen wir auch alle zusammen zu Abend und ausgelassene Stimmung. Leon und Maxi dürfen ein Bier trinken und sind dann plötzlich sehr albern.
Wir lachen sehr viel an diesem Abend.
2010 Juli Tag 5 in Frankreich
Als ich am Mittwochmorgen aufwache, sieht Wolfgang mich an.
„Du hast mich wachgeguckt“, sage ich und räkele mich im Bett.
„Wieso bist du denn vor mir wach? Das gibt es doch eigentlich nicht.“
„Ich habe nicht gut geschlafen. Die ganze Nacht bin ich immer wieder aufgewacht und habe versucht, eine Lösung zu finden für uns. Mir ist aber nichts eingefallen. Hast du im Traum eine Erscheinung gehabt, die uns weiter hilft?“
Ich muss lachen. „Seit wann bist du so lustig?“
„Seit Auguste mir hilft, Klarheit in unser Leben zu bringen. Wir haben die ganzen Jahre seit Maxis Entführung nicht wirklich gelebt. Das war irgendein Paralleluniversum, in dem wir versucht haben, „normales Leben“ zu spielen. Unsere Gefühle sind vergraben unter einer Watteschicht und, ich muss es nochmal sagen, es dreht sich alles nur darum, unseren beiden Jungs ein Klischee-Leben zu bieten. Jetzt ist die Situation anders. Alles bricht auf. Wir haben Maxi wieder, du hast einen anderen Mann und wir müssen nicht mit aller Gewalt die Familie zusammenhalten. Ich denke, dass wir jetzt in der allgemeinen „Aufbruchstimmung“ mit den Kindern reden sollten. Ehrlich reden, was meinst du?“
„Schatz, ich bin gar nicht so weit wie du. Für mich hört sich das an, als hättest du dich bereits von mir getrennt. Es ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst. Willst du den Kinder sagen, dass sie zwar ihren Bruder wieder haben, wenn auch nur zeitweise, stattdessen trennen sich aber nun ihre Eltern? Du bist wirklich ein Spaßvogel.“
„Ja, aber irgendwann muss Schluss sein. Unser ganzes Leben rauscht an uns vorbei und am Ende haben wir gar nicht wirklich gelebt, sondern nur in einer Scheinwelt existiert“.
„Aha, Midlifecrisis. Alles klar. Was willst du genau? Hör auf, dein Leben hier an irgendwelchen Punkten festzumachen, die unsere Familie betreffen. Sag mir einfach, wie du in Zukunft leben willst.“
„So genau weiß ich das auch nicht. Ich könnte niemals ohne euch sein. Ihr seid doch mein Leben. Andererseits habe ich auch furchtbare Angst, etwas verpasst zu haben oder auch weiterhin zu verpassen. Ich will einfach noch leben!“
„Mein lieber Ehemann, du spinnst doch total. Deine pubertären Sätze lass mal. Geh oder bleib. Was du willst. Wenn du meinst, dass du mehr Freiraum brauchst, bitte. Ich habe nichts dagegen. Aber schmeiß jetzt, zu diesem Zeitpunkt nicht unsere ganze Familie über den Haufen. Hier kommt noch einiges an Arbeit auf uns zu. Hast du mal darüber nachgedacht, wie es wird, wenn Maxi weiß, wer er ist? Soll ich ihm dann sagen, ‚Tut mir Leid, jetzt wo du wieder bei uns bist, hat sich dein Vater verdrückt‘? Wie stellst du dir das vor?
Lass uns erst Mal als Familie zusammenbleiben, gehe aber
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