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Bitteres Blut

Bitteres Blut

Titel: Bitteres Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Voss
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Notartermins in einen dunkelblauen Geschäftsanzug mit weißem Hemd und korrekt geknoteter Krawatte gequält hatte und sich darin sichtlich unwohl fühlte.
    »Tut mir leid, wenn ich störe«, sagte Lorinser und nickte dem braun gebrannten Herrn zu, der ihn mit verschränkten Armen und der wohlwollenden Gelassenheit eines im Nirwana angekommenen Buddhas musterte. Im Gegensatz zu Halvesleben trug er verwaschene Jeans, ein blaues Poloshirt mit offenem Kragen und an den nackten Füßen hellbraune Ledermokassins. Neben ihm lag ein leichtes Sommerjackett.
    » Mich stören Sie nicht«, sagte der etwa Fünfzigjährige mit sanfter Stimme. »Ganz im Gegenteil, mir wäre es lieb, wenn ich Sie später einen Augenblick sprechen könnte. Sozusagen von Kollege zu Kollege. Ich heiße übrigens Fleestedt.«
    »Herr Fleestedt war Kriminalbeamter«, warf Halvesleben ein. »In Stade und Hamburg. Jetzt ermittelt er, wenn ich ihn richtig verstanden habe, sozusagen privat nach dem Aufenthalt eines Freundes. Erinnern Sie sich, was ich Ihnen über den verschwundenen Schriftsteller aus Stemshorn gesagt habe?«
    Lorinser nickte. Halvesleben hatte während der letzten Befragung von diesem Fleestedt gesprochen, dem befreundeten Lieferanten der Romanideen des Schriftstellers, dessen abgefackeltes Haus von der Simmerau ersteigert und in ein Gebilde mit dem Charme eines Bürocontainers verschandelt worden war. »Bengt Vauen, nicht?«
    »Ein Pseudonym, hinter dem er seine Identität versteckte«, sagte Fleestedt, ohne dabei die Lippen zu bewegen. »Er stand nicht gerne im Rampenlicht.«
    »Ganz und gar nicht«, sagte Halvesleben und griff nach einem daumendicken Taschenbuch. Er schob es über den Schreibtisch und deutete mit dem Zeigefinger auf den Buchrücken. Darauf war das Porträt eines skeptisch blickenden Brillenträgers abgedruckt, den Lorinser auf etwa dreißig Jahre schätzte. »Das ist sein einziges Buch, auf dem ein Foto von ihm zu finden ist.«
    »Hatte er was zu verbergen?«
    »Sich«, sagte Fleestedt ohne jede weitere Erklärung und glitt vom Schreibtisch. Er nahm das Buch zur Hand, studierte das Foto. »Leider haben wir keine aktuellen Aufnahmen«, fügte er hinzu. »Herr Halvesleben konnte auch kein brauchbares auftreiben. Aber es geht nicht nur um das Foto, es geht darum, einen Ansatz zu finden, eine Spur, die zu ihm führt. Meine Hoffnung sind Sie. Wie ich hörte, ist Bengt unter dem Verdacht der Brandstiftung vernommen worden. Ich kann mir vorstellen, dass in der entsprechenden Akte brauchbare Hinweise zu finden sind. Als Verdächtiger wird er obendrein erkennungsdienstlich behandelt, also auch fotografiert worden sein. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir in der Sache unbürokratisch helfen könnten.«
    »Unbürokratisch?« Lorinser kniff die Augen zusammen. »Das klingt nach einem unmoralischen Angebot«, sagte er, »Ich frage mich, was Sie davon abhält, sich ganz offiziell mit meiner Dienststelle in Verbindung zu setzen. Die Inspektion, und damit die richtigen Ansprechpartner, erreichen Sie zu Fuß in fünf Minuten.«
    Fleestedt ließ das Buch zurück auf die Schreibtischplatte fallen und lachte leise auf. »Wissen Sie«, sagte er in geradezu mitleidigem Ton, »ich gehöre nicht zu den Leuten, die glauben, Zitronenfalter heißen so, weil sie Zitronen falten. Herr Halvesleben war so freundlich, mich an Ihren Kollegen Steinbrecher zu verweisen, der seinerzeit in der Brandsache ermittelt hat. Ich habe mich vorhin mit ihm in Verbindung gesetzt. Er empfahl mir den Dienstweg, also eine schriftliche Eingabe an Ihren Leitenden oder an den im Ministerium zuständigen Beamten. Ich rief Ihren Herrn Timmermans an. Leider konnte ich auch ihn nicht überzeugen, mich zu empfangen, geschweige, mir Einblick in die Akte zu gewähren. Mein Problem ist die Zeit. Die, die ich nicht habe. Ich will und muss Bengt Vauen finden. Je schneller, desto besser. Und zwar deshalb, weil ich ihn vielleicht davon abhalten kann, sich aus Verzweiflung selbst in Schutt und Asche zu legen.«
    Lorinser hob die Brauen. »In Schutt und Asche, ja?«
    »Richtig«, sagte Fleestedt in einem Ton, der keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Aussage zuließ. Er hob beide Hände über den Kopf und kippte ein imaginäres Gefäß über sich aus, ratschte danach ein ebenso imaginäres Feuerzeug an und hielt es an seine Brust.
    »Und warum?«
    »Weil er glaubt, ein Zeichen setzen zu müssen.«
    Lorinser starrte den um einige Zentimeter kleineren Mann ungläubig und

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