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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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der oben beim Queen Bee Car Wash entsprang. Wyatt konnte ihn zwar nicht sehen, aber er hörte, wie er durch das Unterholz plätscherte, und immer wieder stieg ihm der Geruch von billigem Autowachs und Teppichshampoo in die Nase. Er ging jetzt etwas langsamer und zog den Kopf zwischen die Schultern. In der Dämmerung war es nicht leicht, die Zweige zu erkennen, die über den Pfad hingen, und er wollte sie nicht ins Gesicht kriegen.
    Nach einer Weile wurde aus dem Pfad eine unbefestigte Straße, die dem Ufer eines flachen, völlig verdreckten Teichs folgte und zur 17K führte. Von dort war es dann nicht mehr weit bis zum Ronald Reagan Park, wo Wyatt mit seiner Mutter in einem einstöckigen Farmhaus wohnte. Sein Vater hatte sich schon vor etlichen Jahren davongemacht, und niemand vermisste ihn. Die Straße am Teich wurde nur selten benutzt und war von Unkraut überwuchert. Zuweilen parkten hier Leute, wenn sie aus bestimmten Gründen ungestört sein wollten, und jetzt sah Wyatt hier ein Auto stehen.
    Bald würde es völlig dunkel sein. Am Himmel war noch etwas Farbe zu erkennen, ein Blassviolett, das in ein Aprikosengelb überging. Der Wagen stand auf einer leichten Erhebung, und erst als Wyatt ihn fast erreicht hatte, erkannte er den Kombi von Mrs. Prezar. Die Fahrertür stand ein Stück weit offen.
    Wyatt blieb ein paar Schritte entfernt stehen. Das einzige Geräusch, das zu hören war, war das leise Ticken des abkühlenden Motors unter der Haube. Erst dachte er, das Auto sei leer, dann sah er den kleinen schwarzhaarigen Jungen, der noch immer im Kindersitz festgeschnallt war. Der Kopf war auf die Brust gesunken, die Augen waren zu. Er schien zu schlafen.
    Wyatt sah sich nach Mrs. Prezar und Baxter um. Es kam ihm seltsam vor, dass jemand den Jungen hier allein ließ. Doch als sein Blick wieder zum Wagen zurückkehrte, entdeckte er die Mutter des Kleinen: Sie saß hinter dem Steuer, so weit vornübergebeugt, dass Wyatt nur ihren leuchtend blonden Schopf hinter dem Lenkrad sehen konnte.
    Es dauerte einen Moment, bis er sich bewegte. Es fiel ihm schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzen – was er da sah, verstörte ihn zutiefst. Der kleine Junge, der auf dem Rücksitz schlief, machte ihm Angst; im Zwielicht wirkte sein Gesicht aufgedunsen und bläulich.
    Vorsichtig ging Wyatt um den Wagen herum und blieb dann wie angewurzelt stehen. Mrs. Prezar schaukelte ganz leicht vor und zurück. Baxter lag mit dem Gesicht nach oben auf ihrem Schoß. Die Twin-City-Pizza-Kappe hatte er irgendwo verloren. Seine Augen waren weit geöffnet, und seine Lippen grellrot, als hätte er Lippenstift benutzt. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und schien Wyatt anzustarren. Den Schnitt an seinem Hals sah Wyatt zuerst, eine glänzende Linie in Form eines Angelhakens. Auf der Wange hatte er eine weitere Wunde – fast sah es aus, als würde eine schwarze Schnecke auf seinem weißen Gesicht sitzen.
    Auch Mrs. Prezar hatte die Augen geöffnet. Sie weinte, ohne das geringste Geräusch zu machen. Auf ihrer Wange hatte sie vier lange blutige Streifen, offenbar von den Fingern ihres Sohnes. Sie zitterte am ganzen Körper.
    Unvermittelt wich Wyatt einen Schritt zurück und trat dabei auf einen Plastikbecher, der knirschend zersplitterte. Mrs. Prezar zuckte zusammen und sah panisch zu ihm hoch.
    »Mrs. Prezar.« Seine Stimme war so leise und tief, dass er sie kaum erkannte.
    Er hatte eigentlich erwartet, dass sie losheulen würde, doch stattdessen flüsterte sie benommen: »Bitte hilf uns.« Er bemerkte, dass ihre Handtasche neben dem Auto lag und ein Teil des Inhalts im Matsch verstreut war.
    »Ich geh jemanden holen«, erwiderte er und wollte sich schon umdrehen und loslaufen. Er war schnell, in einer Minute konnte er an der 17K sein und ein Auto anhalten.
    »Nein«, krächzte Mrs. Prezar. »Geh nicht. Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist. Vielleicht ist er noch irgendwo in der Nähe. Vielleicht will er sich nur schnell waschen.« Sie warf einen angsterfüllten Blick in Richtung Teich.
    »Wer?« Wyatt sah ebenfalls zum Teich hinüber, auf die steile Uferböschung, die dicht beieinanderstehenden Bäume.
    Sie ging nicht auf seine Frage ein. »Ich habe ein Handy … Ich weiß nicht, wo es ist. Er hat es mir weggenommen und irgendwo neben dem Wagen fallen lassen … O Gott! Kannst du danach suchen? O Gott, bitte lass ihn nicht zurückkommen!«
    Wyatt spürte Panik in sich aufsteigen, er hatte einen trockenen Mund, und ihm war ein wenig

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