Black Cats 01. Was kostet der Tod
Zeit verschwenden.
Er vertraute ihr. Zwar kannte er sie noch nicht lange, aber er verließ sich bereits auf ihre Instinkte. Und wenn sie der Ansicht war, dass sie auf dem Holzweg waren, dann glaubte er ihr. »Wir machen alles wie ursprünglich geplant«, entschied Dean.
Er blickte noch einmal auf den Bildschirm und konnte die Augen nicht von den letzten Worten lösen, von den kranken Gelüsten des Höchstbietenden. Und dem Einverständnis des Sensenmannes.
Himmel, hoffentlich fanden sie diesen Kerl, bevor er sich sein nächstes Opfer schnappte!
Er betritt den Playground durch das Südtor.
Das Wechselspiel der eigentümlichen Farben wirkt anheimelnd und einladend. Vor dem unheimlichen blauen Himmel, der von grauen Streifen durchzogen ist, verdüstert eine immerwährende Sturmwolke den übernatürlich farbenprächtigen Spielplatz. Das Gras ist zu grün. Die Sonne zu gelb. Die Bilder sind zu surreal, mit eigenartigen Perspektiven, unnatürlichen Krümmungen und scharfen Ecken.
Dalís Version der Sesamstraße .
Nur wenn man genau hinschaut, sieht man die sich windenden Gestalten der gepeinigten Seelen, die in den Stamm des Baumes geritzt wurden, an dem die Schaukel hängt. Auf den ersten Blick sieht das klaffende Loch unter der Rutsche, die steil zu einer Grube aus Flammen und Folter hin abfällt, lediglich wie ein Schatten aus. Die Metallringe, die an dem Klettergerüst hängen, scheinen einfach nur Turnspielzeuge zu sein – bis man den schreienden Mann bemerkt, der an ihnen hängt und um Gnade fleht, während ein Feuer unter seinen Füßen entfacht wird.
Wie immer, wenn er auf den Playground kommt, durchströmt ihn ein Gefühl von Ruhe. Glück durchstrahlt ihn von seinem Innersten über die Fingerkuppen bis zur Spitze jeder einzelnen Haarsträhne.
Auf der Website ist eine Menge los – das Wochenende beginnt, und das irdische Dasein der Arbeitswoche tritt in den Hintergrund. Möglichkeiten über Möglichkeiten; die Luft erglüht vor Erregung. Anstandsregeln und Moral und profane Gesetze existieren in dieser Welt einfach nicht. Nichts ist tabu, nichts ist heilig.
Niemand sagt jemals Nein. Kein Verlangen ist zu dunkel, um es zu erfüllen.
Hier wird eine Frau mit einer langen, eisenbesetzten Peitsche geschlagen. Dort wird ein Mann wie ein Hund an einer Leine herumgeführt. Eine Menschenmenge umringt zwei Männer, die abwechselnd eine Brünette vergewaltigen, die sie auf den Boden drücken.
Und ein großer Mann, dünn wie ein Skelett und in teure Kleidung gehüllt, nimmt ein Kind bei der Hand und führt es durch ein verziertes Tor mit der Aufschrift Privat .
Dann bemerken sie schließlich seine Ankunft. Alles verstummt. Sie sehen ihn an. Warten auf ihn. Sie weichen auseinander wie ein Meer, das sich für eine biblische Gestalt teilt.
Wie es sich gehört. Dies ist sein Reich, in dem er umherstolziert wie eine allmächtige, allwissende Gottheit. Der Tod, der mit jedem seiner Schritte die Erde verwüstet.
Sein schwarzer Umhang raschelt im Wind und wirft einen langen Schatten des Schreckens. Seine Sense schwingt scharf und grausam von rechts nach links, während er sich einen Weg zum Ziel bahnt. Alle weichen vor ihm zurück, verbeugen sich vor ihm, wispern Worte der Liebe und der Bewunderung und der Verehrung.
Er erwidert ihre Liebe nicht. Nicht in dieser Welt. Und auch in keiner anderen.
Aber er findet Gefallen an ihnen, wie ein Gott Gefallen an seinen Anhängern findet. Er lässt ihnen seine Gunst zuteilwerden, indem er ab und zu aus seiner finsteren Festung hervorkommt, damit sie zu seinen Füßen niederknien können. Manchmal erweist er ihnen die Ehre, sein Gewand berühren, so nahe an den Tod herankommen zu dürfen, dass sie von endlosen Albträumen heimgesucht werden.
Die Macht verleiht ihm Kraft. Er braucht keinen Schlaf. Keine Nahrung. Nur dies.
Er erreicht das Display des Kinos. Mit den behandschuhten Fingern fährt er darüber und löscht die profanen Filmtitel aus, die denen, die eintreten, sexuelle Wonnen versprechen.
An ihre Stelle setzt er seine eigenen Worte:
Demnächst …
Enthauptet.
Und die Menge bricht in Jubel aus.
7
Während sie im Auto zu Lisa Zimmermans Mutter unterwegs waren, zwang sich Dean, seine Aufmerksamkeit ganz auf die unangenehme Aufgabe zu richten, die vor ihnen lag. Es war nie leicht, die nächste Verwandtschaft zu benachrichtigen. In einem Mordfall war es noch hundertmal schwerer.
Eigentlich wollte er sich einzig auf den unbekannten Täter konzentrieren und darüber
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