Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
hatten wir ziemliche Ruhe und auch keine Verluste. Am 15. begann die Einkesselung Arnheims und traten wir abends den Rückzug in Richtung Amsterdam an, um am 16. in den Kessel von Otterlo zu geraten. Nachts wollten wir durchbrechen und kamen dabei in ein Granatwerferfeuer verbunden mit direktem Panzerbeschuss und hatten wir in ca. 20 Minuten ca. 50 ProzentVerluste. Wir waren 53 Mann und verloren drei Tote und 18 Schwerverletzte. Durch diesen Feuerüberfall kamen wir alle auseinander; der Rest ging zurück, wie ich später erfuhr, nur ich schloss mich dann ein paar Mann an und wollten wir früh gegen 3 Uhr nochmals einen Versuch machen durchzukommen. Bekamen aber dann über kurz derart MG Feuer, dass wir im Wald auseinander kamen. Früh gegen 6 Uhr kamen auf der nahen Rollbahn Flammenpanzer und räucherten die Wald-ränder ab und hatte ich allerhand Dampf vor diesen Biestern. Dann kamen Panzer nachgerollt und gegen 8 Uhr begann dann die Auskämmung des Waldes. Momentan hatte ich noch Glück, mein Schlupfwinkel blieb unentdeckt, aber gegen 10 Uhr wurde ich von fünf Kanadiern aufgegriffen. Mit einem Panzerspähwagen kam ich dann auf einen Sammelplatz, wo sich gleich Liebhaber für Uhr, Füller, Ring (aber den Trauring hab ich noch) und holländische Gulden einfanden. Dann ging es mit LKW nach Arnheim in den Sonstekpark. Die Holländer hätten uns am liebsten alle gehängt. Am nächsten Tage fuhren wir dann weiter und kamen in der Nähe von Nijmegen in ein Auffanglager. Inzwischen hatte ich einige Kumpels von der Kompanie getroffen, sodass wir gemeinsam über das immer mehr Zusammenschmelzen unserer Habseligkeiten bei Untersuchungen uns trösten konnten. Nach zwei Tagen ging es dann im Güterzug in die Nähe von Brügge in ein grosses Lager. Die Belgier waren seinerzeit noch ganz wüst, warfen von Brücken grosse Steine auf die verdeckten Wagen, so dass wir einen Toten hatten. Auf dem Weg vom Bahnhof zum Lager haben sie nochmals ihr Mütchen an uns gekühlt, aber man war ja ziemlich abgestumpft. Bis zum Anfang August war ich dann dort und war froh, als ich dort wegkam, denn Schlimmeres kann ich mir nicht vorstellen, als wie wir dort von der deutschen Lagerführung betrogen und behandelt worden waren. In Vil Vorde bei Brüssel war es ja bedeutend besser, aber trotzdem war ich mit im ‘G-Lager’ wieder mit dem Unterlagerführer beim Antreten zusammengeraten und wollte er mich 28 Tage in Bau bringen, wagte es aber doch nicht. Und dann kam endlich die Abfahrt nach Deutschland und ist es ja ein Fortschritt, wie wir hier als POW leben, aber nun wartet man darauf, nach Hause zu kommen.
Nun bin ich am Ende meines Berichts und hoffe, dass Du einen netten ersten Advent hinter Dir hast. Heute früh war das Wetter prima, aber seit 10 Uhr regnet es. Nachmittag will ich mir paar Hausschlappen machen und was schlafen. Ob ich abends zum Violinkonzert gehe, ist noch nicht raus; ich bin zu faul zum Laufen.
Bleib recht gesund und drück das Heidikind von mir, Dir nun wieder viele liebe Grüsse und Küsse
Dein Dichliebender Hans.
Viele Grüsse an die Eltern.
Leipzig, den 4. Dez. 1945
Mein lieber alter Strolch!
Heute habe ich nun Deinen Brief vom 24.11. bekommen, und danke ich Dir recht herzlich dafür. Ich bin glücklich, dass auch Du nun ein Lebenszeichen von uns erhalten hast, aber ich glaube, der erste Brief, den ich Dir schickte und schrieb, ist es nicht, oder war er es doch. Ich schrieb Dir darin über die letzten Tage des Krieges ausführlich, auch über unsere Ernährung und dann noch über unsere jetzige Unterstützung. Vielleicht kommt der doch noch an. Aber die Hauptsache, daß Du überhaupt Post bekommen hast, und nun auch darüber mehr innere Ruhe haben kannst. Den letzten Brief habe ich einer Frau mitgegeben, die am Sonnabend nach dem Ort gefahren ist, wo Heinz ist. Ich nahm an, daß er schneller zu Dir käme, wenn er in der britischen Zone eingeliefert wird. Hast Du ihn inzwischen auch erhalten? Doch erst mal zu Deinem lieben Brief. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß Du zu Weihnachten, so oder so zu Hause bist. Es sind doch die ersten Friedensweihnachten; und wenn auch die Einschränkungen noch einschneidender sind als in den Kriegsjahren, so ist es doch wenigstens ein Weihnachten ohne Alarm und Bomben, denn ich schrieb Dir ja schon, daß wir es nicht mehr lange ausgehalten hätten. Heidi bekommt so viel vom Weihnachtsmann, daß ich jetzt schon ihre strahlenden Augen sehe. Aber sonst kann kaum einer
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