Blindes Vertrauen
»Was hättest du tun können?« fragte er aggressiv. »Welches Wunder hättest du bewirken können, damit das Problem verschwindet?«
Er kehrte ihr den Rücken zu und torkelte zum Barschrank. Eine neue Flasche Scotch zu öffnen schien mehr manuelle Geschicklichkeit zu erfordern, als seine Finger aufbringen konnten, aber er bekam sie schlieÃlich doch auf und goà sich einen weiteren Drink ein.
»Oh, nein, warte«, sagte er, als er sich wieder zu Amanda umdrehte. »Du kannst ja jedes Problem lösen, nicht wahr? Dir gelingt
alles, was du dir vornimmst. Erfolg ist dein zweiter Vorname. Nein, es muà Vortrefflichkeit heiÃen. Vortrefflichkeit ist dein zweiter Vorname.«
George wuÃte, daà sein beiÃender Spott sie tief verletzte, aber er konnte den Mund nicht halten. Jemand anders sollte sich ebenso mies fühlen wie er, und Amanda war der einzige Mensch in seiner Nähe. Aber sie lieà sich nicht provozieren, sondern behielt die Fassung.
»Ich hätte dein Problem nicht lösen können, George, aber ich hätte dir mein Mitgefühl ausdrücken können.«
»Das hätte mir viel genützt.«
»Dir sind schon früher Patienten unter den Händen gestorben. Natürlich leidet der Heiler in dir, wenn alle deine Bemühungen, einen Patienten zu retten, vergebens bleiben. Aber so verzweifelt warst du noch nie.«
Sie legte den Kopf leicht nach hinten und sah ihm in die Augen. Er war betrunken, aber nicht so weit hinüber, daà er nicht befürchtete, sie könnte in seinem Blick mehr lesen, als sie erfahren durfte. Er sah weg. Nicht rasch genug.
»Du hast mir nicht alles erzählt, stimmtâs?« fragte sie. »Was ist in unserem Ferienhaus noch passiert?«
»Wer sagt, daà noch was passiert ist?«
Amandas Blick war reserviert. »Ich kenne dich, George. Du hast irgendeinen entscheidenden Aspekt ausgelassen.«
»Die Schwester hat ins Gras gebissen. Das war alles.«
»Die Sache betrifft Vanessa, nicht wahr?«
»Nein.«
»Wieso ist der Tod dieser Frau dannâ¦Â«
»Was willst du noch von mir?« brüllte er sie an. »Du hast gefragt, was mich bedrückt, und ich habâs dir gesagt. Jetzt scher dich zum Teufel und laà mich mit deinem ScheiÃmitleid in Ruhe, verdammt noch mal!«
Solche Ausdrücke hatte er ihr gegenüber noch nie benützt. Er konnte nicht glauben, daà er es jetzt getan hatte, obwohl ihr vulgäres Echo von den holzgetäfelten Wänden widerzuhallen schien. War er schon so tief gesunken, daà er seine Frau beschimpfte? Dieser Gedanke, der wie ein Mühlstein an seinem Hals hing, zog ihn noch tiefer in einen Abgrund aus Depression und Selbstverachtung. Er kippte rasch seinen Drink.
Amanda, deren eigener Abscheu offensichtlich war, wandte sich ab. An der Tür drehte sie sich um. »Meinetwegen kannst du brüllen und fluchen, George, wenn dir das hilft. Ich bin zäh. Ich kann einiges vertragen.«
Sie hob die zur Faust geballte linke Hand, damit er ihren Ehering sehen muÃte. »David Merritt hat einen Amtseid abgelegt, aber ich auch â an unserem Hochzeitstag am Altar. Ich habe versprochen, daà nur der Tod uns scheiden wird, und das war mein Ernst. Du bist mein Ehemann, und ich liebe dich. Ich werde dich nicht kampflos aufgeben. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um zu verhindern, daà dieser Mann dich vernichtet, selbst wenn er zufällig der Präsident der Vereinigten Staaten ist.«
27. Kapitel
»Nicht schon wieder«, nörgelte Daily.
Barrie hatte seinen Fernseher auf VH-1 und ohrenbetäubende Lautstärke eingestellt. »Gray glaubt, daà dein Haus überwacht wird.«
»Verwanzt ist es wohl auch?«
»Abhören können sie auch ohne Wanzen«, erklärte Gray ihm. »Mit hochmoderner Ausrüstung können sie Gespräche über mehrere StraÃenblocks hinweg mithören.«
»âºSieâ¹?«
»Spences Männer.«
»Schweine«, murmelte Daily. Er nickte zu Gray hinüber und fragte Barrie: »Ich dachte, er sei abgehauen?«
»Das habâ ich auch gedacht. Er, äh, hat mich gestern abend überrascht.«
»Ich bin ziemlich spät vom Bardot-Festival heimgekommen«, sagte Daily. »Du warst nicht da. Ich habe mir die ganze Nacht Sorgen um dich gemacht.«
»Ich habâ vergessen, dich anzurufen«, gab sie verlegen zu.
Daily
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