Blutberg - Kriminalroman
ihn doch auch gemocht hast …«
»Da habe ich gesagt, du würdest Blödsinn verzapfen«, sagte Birgir, »ich weiß. Du hast auch Blödsinn verzapft. Du hast angedeutet, dass ich Halldór nicht mochte. Was natürlich totaler Blödsinn ist, genau wie das meiste andere, was du von dir gibst.« Er richtete sich wieder auf. »Nein, ich habe Dóri mit Sicherheit nicht gehasst. Aber dich, dich hasse ich schon hundert Jahre.«
Die Unterkünfte für die Angestellten des Subunternehmers waren nicht groß. Sie bestanden aus den gleichen Einheiten wie die im Camp der National Power Company, Aufenthaltsraum, sanitäre Anlagen und zwölf Zimmer hintereinander.
Das Haus erzitterte in seinen Grundfesten, als Birgir seinem Vater die Tür vor der Nase zuschlug. Der stand auf dem Gang und hielt mit einer Hand die Plastiktüte umklammert. Das Kinn war auf die Brust gesunken.
»Schnodder und Brotsuppe mit Sahne und Rosinen«, stöhnte Stefán und klopfte sich auf den Bauch, nachdem er sich wieder am Ende des Konferenztisches niedergelassen hatte. »Über das Essen hier kann man sich wirklich nicht beklagen.«
»Schnodder?«, fragte Árni entgeistert.
»Genau«, sagte Stefán, »Fleischcurry.«
»Heißt das so?«
»Ja.«
»Sollte das wirklich Curry sein? Diese grüngelbe Pampe?«
»Ja. Mein Gott, Junge, was hast du denn gedacht?«
Árni schnitt eine Grimasse. »Keine Ahnung. Mit Curry hab ich das jedenfalls nicht in Verbindung gebracht.«
»Und ob man sich hier über das Essen beklagen kann«, mischte sich Katrín ein. »Es ist wirklich lange her, dass ich in so einer Cholesterin-Brutstätte essen musste - ein echter Fetttempel!«
»Anständiges Essen für gestandene Männer«, rülpste Guðni. »Wir sind hier irgendwo mitten im Hochland, und das bei knackigem Frost, falls dir das entgangen sein sollte. Die Männer hier brauchen Energie.«
»Mag sein, dass wir mitten im Hochland sind«, entgegnete Katrín abfällig, »aber dieses Essen hier wird für Ingenieure, Techniker und alle möglichen Schreibtischtäter gekocht, und die arbeiten drinnen in den Häusern in wohliger Wärme, nicht für Arbeiter, die für einen miesen Lohn bei Wind und Wetter draußen schuften müssen. Zum Kaffee nachmittags gibt’s nur Kuchen und keinerlei Brot - außer in Form von dieser vollfetten Brotschichttorte mit Mayonnaisesalat dazwischen.
« Sie schnitt eine Grimasse. »Ich begreife nicht, dass die Leute hier nicht schon längst einen Aufstand gemacht haben. Mich würde dieses Essen auf die Dauer wahnsinnig machen.«
»Mich nicht«, erklärte Stefán, während er mit einem Zahnstocher herumwerkelte. »Schon wegen des Essens würde ich hier liebend gern einen Job übernehmen.«
Katrín drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Du weißt, dass du an deine Gesundheit denken musst. Du darfst so etwas doch wahrscheinlich überhaupt nicht essen?«
»Ich darf essen, was mir passt«, entgegnete Stefán bockig. »Bei mir ist alles in Ordnung. Kommen wir zur Sache.« Er öffnete die Mappe, die vor ihm lag. »Wo waren wir stehen geblieben?«
Lárus warf zwar neugierige Blicke zu Halldórs Unterkunft hinüber, hielt sich aber mit Fragen an den Polizisten, der frierend vor der Tür Wache schob, zurück und ging unverzüglich weiter zu seinem eigenen Apartment. Ihm war beinahe übel nach dem Essen, wahrscheinlich hätte er die Brotsuppe weglassen sollen, überlegte er. Oder zumindest die Sahne. Er zog sich die Arbeitsstiefel aus und schlüpfte in die Hausschuhe, befreite sich von Schal, Mütze und Anorak, die er ordentlich ablegte, bevor er das Licht im Zimmer anknipste und sich an seinen Schreibtisch setzte. Er hatte kaum die Word-Datei geöffnet, an der er in den letzten Tagen gearbeitet hatte, als jemand heftig gegen die Tür schlug und eintrat, nein, es mussten mehrere sein. Lárus klappte schnell seinen Laptop zu und drehte sich um. Ein hochgewachsener Mann mit eisgrauem Haar und Stahlbrille stellte sich breitbeinig an der Tür auf, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Hinter ihm standen noch zwei andere, sehr viel jüngere Männer. Der eine war offensichtlich ein Farbiger, er trug trotz der Dunkelheit draußen eine Sonnenbrille.
»Lárus Einarsson.« Der Mann in der Tür fragte gar nicht, sondern konstatierte nur. »Du hast in Deutschland studiert, genauer gesagt in Mannheim. Und hast im vergangenen Jahr deinen Abschluss gemacht.«
Lárus war sehr danach zumute, laut loszulachen, doch die Wut, die in ihm hochstieg, verhinderte das. Er
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