Blutige Spuren
nicht sagen. «
» Habe keine Ahnung, ob die Polizei den Brief der Entführer bekommen hat. «
» Und wer ist das Opfer? «
» Jetzt sind Sie aber doch neugierig, was? «
Sternenberg fluchte, aber nur innerlich. Da war dann mal wieder der Polizist in ihm durchgekommen. » Sie brauchen mir gar nichts zu sagen. Sie können auch auflegen « , sagte er und hoffte aufs Gegenteil.
» Wahrscheinlich werden Sie es demnächst sowieso in der Zeitung lesen. Es ist – halten Sie sich fest – der Polizeipräsident! Ein gewisser von Haberstein. «
Sternenberg zuckte kurz und kritzelte dann » Haberstein « in seine Kladde. » Ach « , sagte er, » Haberstein? Hieß der Polizeipräsident nicht anders? «
» Vielleicht auch sein Stellvertreter, ist ja egal. Jedenfalls: entführt. Verstehen Sie, dass ich etwas nervös bin? «
» Ja. Und Sie haben davon erfahren?! «
» Ja, sage ich doch. «
» Sie klingen nicht beunruhigt « , sagte Sternenberg.
In diesem Moment wurde ihm klar, dass er einen Fehler gemacht hatte.
» Das Wichtigste ist gesagt « , entgegnete der Mann. Und legte auf.
Hauptkommissar Kai Sternenberg saß am Schreibtisch der Telefonseelsorge, den Hörer noch in seiner Hand.
Dann legte auch er auf und sperrte die Leitung.
Er nahm sich das Tagebuch und ging alle Anrufe des Tages durch, auch die der Vortage. Er wusste, dass viele Menschen mehrmals anriefen. Vielleicht hatte der Mann schon einmal seine Spuren hinterlassen. Er war das, was man bei der Polizei einen potenziellen Informanten nannte. Egal, was er hier bei der Telefonseelsorge war. Von der Entführung des Polizeivizepräsidenten wussten nur wenige Menschen – wenn es denn überhaupt eine Entführung war. Ausgeschlossen, dass der Mann ein Scherzanrufer war. In der Öffentlichkeit hatte man die Variante vom Schlaganfall zur Kenntnis genommen und sie rasch vergessen. Wer war schon der Vizepräsident?
Keiner der Einträge hatte eine Ähnlichkeit mit diesem Anruf. Er ging im Zimmer auf und ab, dann zu seiner Kollegin in den Nebenraum.
Leise schlich er um sie herum, berührte ihre Schulter und streichelte sanft ihr gerötetes, hörerfreies Ohr. Sie reagierte leicht anschmiegsam, ohne die Konzentration für den Menschen in der Leitung zu reduzieren.
Unverhohlen beugte er sich über ihre Aufzeichnungen, glitt sogar mit dem Finger darüber. Offenbar war eine Frau am Hörer. Auch die vorigen Anrufe glichen nicht dem seinen.
Er lächelte ihr zu, und an der Tür ahmte er ihren Hüftschwung als Pseudo-Prostituierte nach. Sie grinste, vertiefte sich dann aber wieder in ihren Hörer. Eine große Frau, dachte Sternenberg und schloss leise die Tür hinter sich.
19
» Jochen, du musst mich von der Schweigepflicht befreien. «
» Warte mal, Kai. Ich habe gerade die Kinder hier. Moment mal. «
Kindergeschrei im Hörer.
» So. Bin wieder dran. Also nochmal langsam. «
» Ich hatte ein Gespräch heute Nacht, das strafrechtlich relevant war. «
» Kai, du weißt, die Befreiung von der Schweigepflicht ist außerordentlich und reichlich brisant. Ist das wirklich nötig? Okay, verstehe schon, du bist dir sicher. Aber du weißt, es muss um ein Kapitalverbrechen gehen. Gefahr im Anzug. «
Sternenberg feixte. » Ja, Jochen. Kapitalverbrechen und Gefahr im Verzug. Kannste glauben. «
» Du – so schnell mal am Telefon geht’s aber nicht. Ich bin der Hauptgeheimnisträger. «
» Ja, Jochen. Deshalb rufe ich dich ja an. Geht das jetzt klar? «
» Sag mir doch erst mal, worum es geht. Ich kann sonst gar nichts dazu sagen. «
Sternenberg hatte keine Ahnung, ob das, was der Mann am Telefon gesagt hatte, auch nur annähernd stimmte, dafür hätte er nicht die Hand ins Feuer legen können. Aber dem Vorsitzenden der Telefonseelsorge gegenüber musste er sicher auftreten, sonst hatte er keine Chance.
» Also – worum ging es? «
» Kann ich dir nicht sagen. Würde die Ermittlungen stören. «
» Ermittlungen? Wer führt die denn durch? Du? «
» Das Bundeskriminalamt. Unter anderem. Und sie machen es entweder mit dir oder ohne dich. Ich schlage vor, wir verhalten uns kooperativ, Jochen. Ich kann dir nur sagen, dass es um einen ziemlich prominenten Fall geht. «
» Kai … « Er seufzte. » Ich bin derjenige, der den Kopf hinhalten muss. Was soll ich denn im Zweifel vor Gericht sagen? Wenn rauskommt, dass die Telefonseelsorge Anrufer verrät … «
» Jochen! Dramatisiere bitte nicht. Ich werde dich unterstützen und dir die nötigen Infos geben, wenn du sie
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