Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Aljoscha war begabt, und sein Unterricht kostete Geld. Und irgendwann war da Peter Ölnhausen gewesen, der immer nur sie wollte, wieder und wieder. Peter mit seinem Bauch und seiner Glatze, seinen etwas anderen Vorlieben und der Armbanduhr, die er auch beim Sex nicht ablegte, weil er, wie er sagte, ein Vermögen für sie bezahlt hatte. Irgendwann hatte er dem Deutschen Geld gegeben und sie mit nach Hause genommen wie eine streunende Katze.
Milena setzte sich an den Rand des Pools, breitete den Bademantel hinter sich aus und schüttelte ihre nassen Haare. Die Wassertropfen kühlten ihr heißes Gesicht. Sie blieb sitzen, bis die Sonne hinter den Hügeln im Westen verschwand. Dann ging sie ins Haus, duschte und zog sich ein weißes Sommerkleid an. Das Parkett im Flur war mahagonifarben, die Wände mit Holz verkleidet. Barfuß tappte sie in die Küche, Hochglanz weiß, und öffnete den Kühlschrank. Die Putzfrau füllte ihn am Samstag mit Fertiggerichten. Milena entschied sich für Boeuff Stroganoff und stellte es für die Mikrowelle bereit. Sorgfältig schnitt sie ein Baguette in immer gleich dicke Scheiben und richtete es in einem Korb an, den sie vorher mit einer Stoffserviette ausgelegt hatte.
Ein Salat, den sie wusch und mit Fertigsoße anmachte, Tomaten, die sie schnitt, die Flasche Rotwein, die dekantiert und temperiert werden musste. Langsam und geduldig hatte Pjotr ihr erklärt, wie eine deutsche Hausfrau zu funktionieren hatte, und Milena wollte seinen Vorstellungen entsprechen. Nur, dass sie über ihren Versuchen, deutsch zu lernen, ihre eigene Sprache vergaß und manchmal träumte, sie sei stumm wie ein Fisch, der unter Wasser lautlos sein Maul aufriss.
Als das Abendessen gerichtet war, ging sie über den Flur ins Schlafzimmer, um sich ihre Flipflops zu holen. Ihre Füße wurden auf den glatten Böden langsam kalt. Am Bett hingen noch immer die Handschellen. Ja, sie zahlte ihren Preis für ihren Platz im goldenen Käfig, und es machte ihr mehr und mehr Angst, dass sie es zu genießen begann. Sie legte ihren Schmuck an, die helle Perlenkette, die so gut zu dem weißen Leinenkleid passte, die Perlenohrringe. Ihre schweren Haare waren schon wieder fast trocken. Peter liebte die hellen Goldtöne, aus denen sie zu bestehen schien. In der Luft hing der Geruch nach Sex, und in ihrem Brustkorb war plötzlich nicht mehr genug Platz für die Luft, die sie atmen wollte. Milena riss das Fenster auf. Plötzlich, sie wusste es nicht, war da dieser Impuls. Ein, zwei Mal hatte sie ihm schon nachgegeben. Sie umkreiste das Bett und ging auf Peters Seite, wo sein Nachttisch stand. In der mittleren Schublade, unter seinen Socken, die immer sorgfältig zusammengerollt waren, lag die Pistole. Milena schob die Socken an die Seite und hob sie heraus. Sie war überraschend schwer, das Metall glatt und kalt. Einen Moment lang sah sie, wie sie die Waffe an ihre Schläfe hielt und abdrückte. Ein Ausweg, und sie hätte endlich eine Spur in diesem Haus hinterlassen. Da hörte sie, wie Pjotr den Porsche in die Garage fuhr und das Tor zuschlug. Gleich würde er ins Haus kommen und sie fragen, wie es ihr ging. Gut, würde sie in gebrochenem Deutsch antworten, und das Lächeln würde sich nicht mehr von ihrem Gesicht wischen lassen. Wie eingefroren würde es dort stehenbleiben bis in die Nacht hinein. Erst dann würde ihr wieder einfallen, dass sie eine russische Hure war.
17.
Als Alessio am Montagmorgen erwachte, war der Himmel so orange wie Pfirsichshampoo. Schlaftrunken schälte er sich aus Blues Schlafsack, in dem es durchdringend nach Hund und Bier roch, und setzte sich auf. Zu dritt war es darin zwar eng, aber leidlich warm gewesen. Jetzt fror er in der Morgenkühle. Die meisten anderen Straßenkids lagen noch in ihre Decken gewickelt unter den Bäumen, manche so alkoholisiert, dass es sicher noch eine Weile dauern würde, bis sie wieder unter den Lebenden weilten. Nur Henne stand mit bloßem Oberkörper der aufgehenden Sonne, streckte sich und fiel in einen Karateschritt, bei dem sein Hahnenkamm wogte. Der Schlossgarten lag blaugolden im Morgenlicht wie eine Märchenlandschaft. Die Bäume waren freundliche Riesen. Unter dem Schatten eines Parkbaums entdeckte er Blue, die ihren Hund kraulte und ihn anlächelte. »Hallo! Ich bin eine Frühaufsteherin. Hab dich etwas länger schlafen lassen.«
Er stand auf, streckte sich und kam barfuß durchs nasse Gras auf sie zu. »Was machen wir heute?«
Sie zuckte die Schultern. »Schnorren.
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