Blutnacht
hatten sich Samstagnacht in oder an einer dunklen Gasse ereignet. Fünf Wochen waren zwischen ihnen vergangen. Weder Milo noch Petra – noch irgendjemand sonst – hatte irgendeine Verbindung gesehen, weil es keine auffälligen Ähnlichkeiten gab.
Und als ich die Unterschiede gegeneinander hielt, entstand eine nicht sehr kurze Liste auf meinem Notizblock.
Männliches vs. weibliches Opfer.
Ende vierzig vs. Mitte dreißig.
Single vs. geschieden.
Messerwunde vs. Strangulierung.
Tatort im Freien vs. Tatort im Haus.
Musiker vs. Malerin.
Ich kam zu dem Schluss, dass ich übertrieben analytisch vorging; es hatte keinen Sinn, Milo anzurufen. Ich ging vierzig Minuten laufen, was mein Herz und meine Lunge forderte, aber wenig dazu beitrug, meinen Kopf freizubekommen, setzte mich wieder an den Computer und suchte nach Morden an Menschen in schöpferischen Berufen während der letzten zehn Jahre.
Trotz dieser willkürlichen Begrenzung kam eine Menge irrelevantes Material zum Vorschein: massenhaft tote Rockstars, deren Ableben in den meisten Fällen, ja fast ausschließlich selbst verschuldet war. Der Tod von Sal Mineo, der in West Hollywood erstochen worden war. Das war 1976 passiert, lange vor Beginn der Zehn-Jahres-Grenze. Es hatte sich herausgestellt, dass der Mord an Mineo, der lange Zeit Gegenstand von wilden Mutmaßungen im Filmbusiness war und von dem man annahm, dass er in Zusammenhang mit seiner Homosexualität stand, ein Raubüberfall auf offener Straße gewesen war, der ein böses Ende genommen hatte.
Der Schauspieler war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Vielleicht würde sich das auch als Todesursache bei Baby Boy – und Julie – erweisen.
Ich suchte weiter und verfeinerte meine Kriterien und hatte am Ende, Stunden später, vier mögliche Fälle.
Vor sechs Jahren war eine Töpferin namens Valerie Brusco auf einem freien Feld hinter ihrem Atelier in Eugene, Oregon, erschlagen worden. Ich fand keine direkte Berichterstattung über das Verbrechen, aber Bruscos Name tauchte im Rahmen einer von einem Professor am Reed College verfassten Retrospektive über Keramikkünstler an der pazifischen Nordwestküste auf, bei der ihr gewaltsames Ende erwähnt wurde. Der Fall war gelöst worden: Bruscos Freund, ein Taxifahrer namens Tom Blascovitch, war verhaftet, verurteilt und eingekerkert worden. Aber Mörder kommen auch wieder aus Gefängnissen raus, und deshalb druckte ich die Daten aus.
Der zweite Fall war der Mord an einem Saxophonisten namens Wilfred Reedy, der vor viereinhalb Jahren vor einem Jazzklub am Washington Boulevard erstochen worden war; dokumentiert war er durch den Nachruf einer Zeitschrift der Musikergewerkschaft, in dem Reedys sanfter Charakter und sein Improvisationstalent gepriesen und darauf hingewiesen wurde, dass man anstelle von Blumen Spenden für die Witwe über die Gewerkschaft vornehmen könne.
Der Sechsundsechzig Jahre alte Reedy war ein Freund von John Coltrane gewesen und hatte mit vielen der Großen zusammen gespielt – Miles Davis, Red Norvo, Tal Farlow, Milt Jackson. Ich loggte mich in das Archiv der L.A. Times ein und fand einen kurzen Artikel über das Verbrechen auf den hinteren Seiten und eine Fortsetzung von einem Absatz eine Woche später. Keine Spuren oder Festnahmen. Sachdienliche Hinweise an die Southwest Division erbeten.
Mord Nummer drei war ebenfalls mit einem Messer vor drei Jahren an der fünfundzwanzigjährigen Balletttänzerin Angelique Bernet in Cambridge, Massachusetts, begangen worden. Bernet war Mitglied einer New Yorker Tanztruppe auf Tournee gewesen, die ein Gastspiel in Boston gab, hatte ihr Hotel gegen zwei Uhr am frühen Freitagmorgen verlassen und war nicht wieder zurückgekehrt. Zwei Tage später war ihre Leiche hinter einem Haus an der Mt. Auburn Avenue entdeckt worden, nicht weit vom Campus der Harvard University. Querverweise auf den Boston Herald und den Globe ergaben kurze Berichte über das Verbrechen, aber keine Verhaftungen. Etwas anderes, das der Globe berichtete, fiel mir auf: Bernet war kurz zuvor zur Ersatztänzerin der Primaballerina befördert worden und hatte tatsächlich am Abend ihres Verschwindens ihr erstes Solo getanzt.
Der letzte Treffer hatte dreizehn Monate später stattgefunden – noch ein Hollywood-Mord. Während einer Aufnahme, die die ganze Nacht dauern sollte, hatte eine Punkrock-Sängerin namens China Maranga eine betrunkene Tirade gegen ihre Backup-Band vom Stapel gelassen, weil sie ihrer Ansicht nach
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