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Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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Vater, er der Stiefbruder von Sabine, sein leiblicher Vater eventuell der Mörder seiner Mutter oder sogar der Auftraggeber für die Mordanschläge auf ihn. Das alles konnte er nicht fassen.
    Â»Sie gehen jetzt in die Firma und lassen sich nichts anmerken«, hatte ihm Kommissar Rotfux eingeschärft. »Noch wenige Tage, dann haben wir sie.« Der Kommissar war optimistisch wie lange nicht mehr. »Halten Sie durch, lieber Herr Drucker«, motivierte er ihn. »Durchstöbern Sie die Schreibtische der Inhaber. Vielleicht finden Sie weitere Hinweise.«
    Doch Thomas war am Ende seiner Kräfte. Er schleppte sich zwar in die Firma und versuchte seine Arbeit zu tun, aber er fühlte sich matt und ausgelaugt. Seine Mutter lag auf dem Friedhof, seine Oma ebenso und mit Sabine durfte er nicht sprechen, um sich nicht zu verraten. Ich kann nicht mehr, dachte er. Was soll das alles? Müde kehrte er am Abend in seine kleine Wohnung zurück. Es war Freitag. Gott sei Dank, dachte er. Wenigstens kann ich mich über das Wochenende erholen. Aber dann, die nächste Woche, die übernächste Woche, wann würde das je ein Ende nehmen?
    Aus purer Verzweiflung fasste Thomas Drucker einen riskanten Entschluss. Er wählte mit seinem Handy die Nummer von Sabine und wartete. Es wäre vernünftiger, sie in der Firma anzusprechen oder vor ihrem Haus auf sie zu warten. Aber Thomas war an diesem Abend nicht mehr vernünftig. Er war durchgedreht, mit den Nerven fertig, wusste nicht mehr, was er tat.
    Â»Hier Flieger.«
    Â»Sabine?«
    Â»Ja, wer sind Sie?«
    Thomas verstellte seine Stimme jetzt nicht mehr. »Ich bin’s, Thomas. Hallo, Sabine, sag jetzt einfach nichts. Hör nur zu. Ich bin zurück aus Kenia. Niemand darf es wissen, keine Polizei, niemand. Komm morgen Nachmittag um 3 Uhr zu unserem Platz am Niedernberger See. Ich liebe dich. Hast du verstanden?«
    Â»Oh mein Gott … Wo bist du?«
    Â»Bitte, Sabine, sag niemandem etwas. Komm morgen, und komm allein. Niemand darf dich sehen. Hast du verstanden?«
    Â»Ja, aber ich begreife nicht. Warum können wir nicht reden?«
    Â»Bitte, du wirst sehen … «
    Mit diesen Worten legte Thomas Drucker auf. Es war ihm klar, dass er massiv gegen die Bedingungen von Kommissar Rotfux verstoßen hatte. Er war unvorsichtig gewesen. Das Telefonat war vielleicht abgehört worden. Trotzdem war er froh, mit Sabine gesprochen zu haben. Er freute sich, sie endlich zu sehen – falls sie tatsächlich kam.
    Â 
    Am Samstag um die Mittagzeit fuhr Thomas Drucker mit seinem Mietwagen zum Niedernberger See. Das Wetter war für Anfang September sehr schön. Ein strahlend blauer Himmel hing über Aschaffenburg und das Thermometer zeigte 26 Grad. Tolles Badewetter, dachte Thomas. Er hatte eine Badetasche gepackt, mit zwei Handtüchern, Badelatschen, einer Badehose zum Wechseln und einer Badekappe, die er sonst nie trug. Thomas stellte seinen Wagen in der vordersten, zum See gerichteten Parkplatzreihe ab, nahm die Badetasche aus dem Kofferraum und ging den leichten Abhang zum See hinunter. An der ›Honisch Beach‹, wie der Badestrand im Volksmund hieß, herrschte Hochbetrieb. Die Liegewiese war dicht mit Handtüchern und Decken belegt, auf denen die Badegäste in der Sonne lagerten. Bunte Sonnenschirme, Plastikbälle, Schwimmreifen und Luftmatratzen gaben ein lebhaftes Bild ab. Thomas merkte, dass er seit Tagen in der Firma und seiner Wohnung eingesperrt gewesen war. Aus Angst vor Entdeckung hatte er nur das Nötigste unternommen. Jetzt genoss er plötzlich die Freiheit an diesem See, der so etwas wie Ferienstimmung in ihm aufkommen ließ.
    Er wählte einen Platz etwa 20 Meter vom Sandstrand entfernt, zwischen einer Familie mit kleinen Kindern und einer Gruppe junger Leute. Dort legte Thomas seine Strandmatte auf den Rasen und das Handtuch auf die Matte, zog Schuhe und Strümpfe aus, ebenso seine Hose. Sein Shirt behielt er an, um sich nicht durch sein großes, dunkles Muttermal zu verraten, das er auf der linken Schulter hatte. Die Hornbrille mit den Fenstergläsern behielt er auf. Er wollte kein unnötiges Risiko eingehen und sich erst in Thomas Drucker zurückverwandeln, wenn das Treffen mit Sabine kurz bevorstand. Da es erst halb eins war, hatte er noch viel Zeit. Er legte sich gemütlich auf sein Handtuch und ließ den See auf sich wirken. Wie ein kleines Paradies kam er ihm vor. Er

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