Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
Reinigungsutensilien und die Pläne B, C, D, E und F: die Garrotte, die Fesseln, die Plastiktüte, die Spritzen und die Medikamente.
Roy hatte an diesem Morgen angerufen, und sie hatte ihm bereits einen Rat gegeben. Ob er ihn wohl befolgt hatte? Er war ein Nervenbündel.
Irgendetwas an Roy zog sie an, sodass sie ihn ein bisschen lieber mochte als die anderen. Giles war völlig von sich eingenommen. Zunächst hatten seine Arroganz und seine Macht sie zu ihm hingezogen, doch in letzter Zeit hatte sich das abgenutzt. Dexter – Dexter war ein großartiger Liebhaber und ähnelte ihr mehr als die anderen. Sie lagen auf einer Wellenlänge. Aber Roy – Roy war irgendwie lieb. Wollte sie beschützen. Es war wirklich komisch, wenn man es sich genau überlegte, aber keiner der anderen Männer war je auf die Idee gekommen, sie so zu behandeln. Und er würde alles für seine Kinder tun. Dafür schätzte sie ihn mehr als für den Sex. Ein Bild aus ihrer eigenen Kindheit stieg ungebeten in ihr auf, und sie unterdrückte es rasch.
Sie sah auf die Uhr. Fast schon Zeit zum Aufbruch. Sie begann mit einer Reihe von Meditationen, die sie einsetzte, um ihre Konzentration zu schärfen.
Ein leiser Alarmton erklang und lenkte sie ab. Jemand kam ihre Einfahrt herauf. Wahrscheinlich ein Vertreter oder einer der zahlreichen Baumpfleger, die ihre Veranda mit Visitenkarten und Prospekten zumüllten. Sie versteckte die Tasche und trat leise an einen Monitor heran.
Ein schlanker, braunhaariger Mann Mitte vierzig in Jeans, einer leichten Windjacke und Laufschuhen kam auf die Verandatreppe zu. Sie erkannte ihn auf der Stelle und fluchte leise. Rasch schritt sie zur Tür.
Was zum Teufel wollte Giles hier? Er hätte eigentlich nicht einmal wissen sollen, dass es dieses Haus gab. Der Blödmann bildete sich ein, sie gehöre ihm.
Sie spürte, wie ihre Hand zur Beretta wanderte.
Sie würde ihn erschießen. Sie würde ihn jetzt und hier erschießen.
Nein, nicht hier.
Sie schaffte es, ihre Wut genug zu zügeln, um den Zeigefinger vom Abzug der Pistole zu lösen.
Dann sah sie, wie er einen Blick zurück zur Straße warf, ehe er die Faust hob, um an die Tür zu klopfen.
Rasch machte sie die Tür auf, ehe seine Hand das Holz getroffen hatte. Sie packte ihn mit roher Gewalt am Handgelenk und zerrte ihn hinein, wobei er das Gleichgewicht verlor. Sie trat die Tür zu, warf ihn dagegen, dass ihm die Luft wegblieb, und fixierte ihn. Mit der anderen Hand griff sie nach seinem Kragen und drehte daran.
»Was zum Teufel willst du hier?«
Mit Genugtuung sah sie, dass sein Lächeln ein wenig unsicher war. Außerdem bekam er eine Erektion. Das fand sie weder erstaunlich noch erfreulich. Giles’ sexuelle Reaktion auf sie begann sie langsam zu langweilen.
»Lass mich los«, krächzte er, »dann sag ich’s dir.«
Sie gab ihn frei. Er stolperte vorwärts, bis er unsicher das Gleichgewicht wiederfand.
Sie strich ihren Anzug glatt. »Falten hier drin kann ich mir jetzt nicht leisten.«
»Ich begleite dich«, erklärte er und musterte sie fasziniert.
»Den Teufel wirst du tun. Und du kannst mich jetzt auch nicht ablenken. Wie hast du überhaupt von diesem Haus erfahren?«
Er lächelte erneut. »Cleo. Du weißt, dass ich mich immer dafür interessiere, wo sich die Mitglieder meiner Familie aufhalten.«
Sie erwog, ihn zu bedrohen, verwarf den Gedanken jedoch wieder. Giles wusste viel zu viel über ihre Aktivitäten.
Außerdem gab es keinen Grund, ihn zu bedrohen – sie konnte auch einfach zur Tat schreiten. Doch fürs Erste musste sie scheinbar nachgeben.
»Wenn du den Plan veränderst«, sagte sie, »muss ich das sofort wissen. Die Zeit wird knapp.«
»Ich möchte nur zusehen.«
»Warum trägst du dann eine Waffe?«
Sein Lächeln verschwand. Hatte er geglaubt, sie würde die Pistole nicht bemerken?
»Cleo, bist du nicht diejenige, die immer gern noch einen zweiten Plan in der Hinterhand hat?«
»Was ist wirklich los, Giles? Sag’s mir jetzt.«
»Ich fürchte, Roy macht Schwierigkeiten. Wahrscheinlich müssen wir ihn irgendwo abfangen.«
»Bist du verrückt? Er hat die Kinder bei sich. Du kennst meine Regeln«, fauchte sie erbost. »Kinder werden nicht verletzt.«
Er duckte sich ein wenig, ertappte sich selbst dabei und richtete sich wieder auf. »Natürlich nicht. Worum geht es denn die ganze Zeit? Doch nur um die Kinder.«
Sie musterte ihn skeptisch.
»Es sind wirklich wertvolle Kinder«, fuhr er beherrscht fort. »Deshalb brauchst du mich.
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