Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
dieser Reporterin zusammen. Ja, Irene Kelly. Ich … ich wusste nicht, was ich tun soll … Natürlich nicht. Nicht dort … nein. Ach, wirklich? Tja, du warst ja nicht dabei, Cleo, also musste ich mir etwas einfallen lassen, oder? Sie sitzt am Steuer. Sobald ich alles geregelt hatte, sind wir losgefahren.«
Erneut trat Schweigen ein.
»Na, vielen Dank. Wirklich? Also, ich hielt es für das Klügste. Ich meine, angesichts der Umstände … Ja, ja. Genau. In Ordnung.« Er machte ein Kussgeräusch ins Telefon und beendete das Gespräch.
Seine Angst schien zu schwinden. Allerdings behagte mir sein selbstzufriedener Blick auch nicht so recht.
Wir passierten einen Ort namens Lake Los Angeles, dessen Existenz ich angezweifelt hätte, wenn ich ihn nicht selbst gesehen hätte. Dann fuhren wir in südlicher Richtung weiter, auf die Berge zu, ohne einen See oder irgendwelche Engel zu sehen. Bestimmt war beides irgendwo.
Wir überquerten das California Aqueduct und fuhren weiter in Richtung Süden. Er blickte nun öfter nach vorn und rief mir immer rascher Anweisungen zu. Schon bald waren wir in menschenleerem Gelände und fuhren über Straßen voller Schlaglöcher, die anscheinend für Orte angelegt worden waren, die nie gebaut wurden, die nicht verwirklichte Fata Morgana irgendeines Bauunternehmers. Von da aus bogen wir auf noch abgelegenere Feldwege ab.
Wir befanden uns bereits im Vorgebirge, als die Engel verspätet doch noch auf den Plan traten. Kurz nachdem wir eine Seitenstraße passiert hatten, sah ich das Rotlicht eines Streifenwagens, konnte allerdings keine Aufschrift erkennen, aus der hervorgegangen wäre, zu welcher Polizeibehörde er gehörte. Ich musste die Tränen der Erleichterung unterdrücken – wir waren gerettet! Doch im nächsten Moment begriff ich, dass dem ganz und gar nicht so war. Wie würde der Bewaffnete auf die Neuigkeit reagieren, die ich ihm gleich mitteilen würde? Ohne zu wissen, was passieren würde, erklärte ich: »Wir werden angehalten.«
Seine Reaktion erschien mir sonderbar. Er lächelte, ehe er rasch die Stirn runzelte. »Halten Sie an und benehmen Sie sich ganz normal«, sagte er. »Machen Sie ihn auf keinen Fall darauf aufmerksam, was sich hier abspielt, sonst ist das Mädchen tot.« Er redete wie ein Fernsehgangster. Dann zwang er Carrie, sich hinzulegen, und zog eine Decke über sie.
»Ich werde meine Brieftasche brauchen«, sagte ich.
Er lächelte erneut, kramte sie heraus und warf sie mir zu.
Irgendetwas stimmte nicht. Ich ließ den Motor laufen. Ich besaß eine einzige Waffe – den Wagen. Allerdings sah ich nicht viele Einsatzmöglichkeiten für ihn, die zu einem glücklichen Ausgang geführt hätten.
Ein einzelner uniformierter Beamter stieg aus dem Fahrzeug, das ich nicht richtig sehen konnte. Der Polizist war schon fast an meinem mittlerweile heruntergedrehten Fenster angelangt, als ich merkte, dass es eine Frau war. Die Uniform kam mir verdammt bekannt vor. Frank war zwar bereits Detective gewesen, bevor wir geheiratet hatten, doch ich wusste, wie die Uniform des Las Piernas Police Department aussah.
Wir befanden uns meilenweit entfernt vom Zuständigkeitsbereich der Polizei von Las Piernas.
Diese Art von Uniform nannte sich »Blauer«, und der Name ihres Trägers war jeweils über der Brusttasche aufgestickt.
D. Fletcher.
Der Rest der Kluft war eine wenig überzeugende Fälschung. So fehlte zum Beispiel der größte Teil der zwanzig Kilo schweren Ausrüstung, die ein Streifenpolizist mit sich herumschleppt. Sie hatte ihre Waffe in einem Pistolenhalfter stecken, machte jedoch keinerlei Anstalten, danach zu greifen.
»Zulassung und Führerschein.«
Ich spielte mit, da der Mann auf der Rückbank womöglich auf Carrie – oder mich – schießen würde, wenn ich davonpreschte. Ich brauchte eine günstigere Gelegenheit. Oder wenigstens etwas, das zumindest ansatzweise dem Hauch einer Gelegenheit ähnelte. Die Frau trat an die Vorderseite des Vans und ging dann zur seitlichen Schiebetür. Dort klopfte sie.
Nun blickte der Bewaffnete wirklich finster drein.
Ohne die Waffe aus der Hand zu legen, schlich er zur Tür und zog sie auf.
Die Frau hatte mittlerweile ihre eigene Waffe gezogen, eine kleinere, nicht die große Polizeipistole, die noch im Halfter steckte. Sie packte ihn am Gelenk der Hand, in der er die Waffe hielt.
Das war vermutlich die beste Gelegenheit, die ich bekommen würde.
Der Van setzte sich in dem Moment in Bewegung, als sie den Mann herauszog.
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