Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
bisherigen Tagesablaufs zu geben. Er unterbrach mich, bat mich um die Nummer des Apparats, von dem aus ich telefonierte, und verlangte genaue Angaben darüber, wo ich war und wie der Laden hieß. Also reichte ich ihn an den Verkäufer weiter, der ihm all diese Daten nannte, ehe er mir das Telefon zurückgab. Staunend sah er Carrie und mich an.
»Fehlt dir auch nichts?«, wollte Frank wissen.
»So langsam wird’s wieder.« Ich bat ihn, Blake Ives anzurufen und zu versuchen, Roy Fletcher zu erreichen, der ja eventuell noch bei Graydon Fletcher war. »Und falls er ein Mädchen namens Genie bei sich hat, dann könnte das eventuell Calebs Schwester sein – ah, da kommen ja die Leute vom Sheriffbüro«, sagte ich, als ich einen Streifenwagen heranfahren sah. »Ach, und den Express nicht zu vergessen.«
»Der Express ist dort?«, fragte er leicht pikiert.
»Nein, aber würdest du sie verständigen?«
»Vielleicht. Das könnte Schwierigkeiten geben. Lass mich mal mit dem Deputy sprechen.«
Ich entschuldigte mich bei dem Verkäufer, wartete, bis die Deputys hereingekommen waren, und reichte einem von ihnen mit den Worten »Für Sie« das Telefon.
Ehe er es entgegennahm, bat er seinen Partner, mit uns draußen zu warten.
Carrie, die sich die ganze Zeit eng an mich geschmiegt hatte, zitterte, als wir hinausgingen. Kaum hatte ich ihr einen Arm um die Schultern gelegt, begannen ihre Tränen zu fließen. Zum Teil lag es sicher daran, dass die Angst jetzt erst richtig zum Ausbruch kam, genau wie bei mir, doch dann fiel mir ein, dass sie wahrscheinlich noch nie so weit weg von zu Hause und zugleich von derart vielen Fremden umgeben gewesen war.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich sie. »Bist du sicher, dass du nicht verletzt bist?«
»Was werden sie mit mir machen?«, flüsterte sie.
»Mit dir machen? Wie meinst du das?«
»Ich meine, bei wem soll ich wohnen?«
»Keine Ahnung.« Ich überlegte kurz. »Vielleicht bei deinem Vater, Mr. Ives. Oder vielleicht finden sie auch jemanden, bei dem du bleiben kannst, bis alles geklärt ist. Wahrscheinlich werden sie sich an deinen … deinen Dad wenden, und ganz bestimmt werden sie versuchen, deine Mom zu finden.«
Sie wandte den Blick ab und fing schließlich heftig zu weinen an. Erneut schmiegte sie sich an meine Schulter. Ich suchte nach Worten, um sie zu trösten, beschloss dann jedoch, sie einfach weinen zu lassen. Vermutlich hatte sie kaum größere Hoffnungen, dass ihre Mom noch am Leben war, als ich.
Nach einer Weile beruhigte sie sich. »Haben Sie Kinder?«, fragte sie mit piepsiger Stimme.
»Nein.«
»Mögen Sie keine?«
»Oh doch, ich mag Kinder sehr. Warum fragst du?«
Sie wurde rot. »Vielleicht würden sie erlauben, dass ich bei Ihnen bleibe.«
Ich fasste sie bei den Schultern. »Ich würde dich unheimlich gern bei uns haben, aber das ist nicht meine Entscheidung. Außerdem gefällt es dir bei uns ja vielleicht nicht – bei mir wohnen mein Mann, ein kranker Freund, drei Hunde und die dickste Katze, die du dir vorstellen kannst. Hier, ich zeige sie dir.« Ich klappte meine Brieftasche auf und hielt ihr Fotos von Frank, Deke und Dunk und Cody hin. »Von unserem Freund Ethan und von Altair habe ich noch keine Bilder. Sie sind nur zu Besuch bei uns.«
Sie stellte mir Fragen über die Tiere und über Frank. Wir hatten nur ein paar Minuten Zeit dafür, doch irgendwie hatte es auf uns beide eine beruhigende Wirkung.
Im Lauf der nächsten Stunden wollten das Los Angeles County Sheriff’s Department, das Huntington Beach Police Department und das Las Piernas Police Department mit uns sprechen. Das Gleiche wollte eine Unmenge von Medienvertretern, obwohl sie nicht viel mehr von uns bekamen als Bildmaterial, das uns beim Verlassen des Palmdaler Reviers des LASD zeigte. Als Ersatz dafür sprachen sie mit den Nachbarn in Huntington Beach (»sehr ruhige Leute«, »blieben immer unter sich«) und machten Luftaufnahmen des verlassenen BMWs und von der Bergung der Toten in der Wüste.
Man hatte die Leichen von Giles Fletcher und Bonnie Creci/ Victoria Fletcher knapp einen Kilometer vor dem Angeles National Forest gefunden, eine Distanz, die den Park Service und das FBI aus dem Kreis unserer Befrager ausschloss.
Frank traf mit drei Leuten ein. Ich hatte Blake Ives und meinen Anwalt Zeke Brennan erwartet, doch zu meinem Erstaunen erkannte ich Graydon Fletcher, der ein Stück hinter den anderen ging.
Frank umarmte mich und fragte flüsternd: »Alles in Ordnung?«
Ich
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