Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
»Ich hab ihm gesagt, dass Reggie meiner Meinung nach eher zum Mond fliegt, als freiwillig mit einem kleinen Mädchen zusammenzuleben, wirklich wahr.« Sie hielt inne. »Ich hab ihm sogar erzählt, dass Reggie und Bonnie nicht mehr zusammen waren, aber ich hab ihm angesehen, dass er mir das nicht geglaubt hat. Ich weiß nicht, wer diese Dings war – wie haben Sie sie noch genannt?«
»Der Privatdetektiv nannte sie eine ›weibliche Begleitung‹.«
»Ja, also, ich kenne ein paar Cops, die auch gern wüssten, wer sie war. Aber damals hab ich ja überhaupt noch nicht gewusst, dass Reggie tot war.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Reggie wurde tot in der Wüste gefunden. Es hätte Mord gewesen sein können, aber man war sich nicht sicher. Er lag unter einer steilen Felswand, und die Frage war, ob er gefallen ist oder gestoßen wurde. Kein Mensch hat ihn fallen sehen oder ihn überhaupt dort draußen getroffen oder gewusst, was er dort wollte. Er hat auch keine Brieftasche oder sonst irgendwelche Papiere bei sich gehabt.«
»Und Sie sagen, er wurde tot aufgefunden, ehe Carla Ives verschwunden ist?«
»Das Datum, an dem sie den Leichnam geborgen haben, lag eine Woche vor dem Tag, an dem die Kleine verschwunden ist, falls das an dem Tag war, den Sie genannt haben.«
»Was meinen Sie, was ihm zugestoßen ist?«
»Ich glaube, er hat mit irgendwem Ärger gekriegt und wurde umgebracht. Er war nämlich nicht direkt der Typ, der in der Wüste wandern geht. Außerdem nehme ich an, dass derjenige, der ihn dort hat liegen lassen, nicht damit gerechnet hat, dass er jemals gefunden wird. Aber dann ist irgendein Steineklopfer auf der Suche nach Edelsteinen über die Leiche gestolpert und hat den Sheriff verständigt. Tja, sie hatten keinerlei Anhaltspunkte, weil Reggie von niemandem vermisst wurde.«
»Es gab keine Vermisstenanzeige.«
»Nein. Wissen Sie, dass Reggie für längere Zeit verschwindet, war für mich nicht gerade neu. Und dann steht auf einmal der Privatschnüffler auf der Matte und erzählt mir, Reggie sei mit dieser Bonnie unterwegs, die ihn doch schon längst verlassen hat, und mit ihrer kleinen Tochter. Damals dachte ich noch, vielleicht haben sie sich ja wieder zusammengerauft. Und als ich nichts mehr von Reggie gehört hab, dachte ich, er hätte vielleicht beschlossen, ein braver Familienvater zu werden, und hab mir gesagt, na gut, ist ja sein Bier, wenn er es auf derart miese Art angehen will.« Sie hielt einen Moment inne. »Damit, dass ich so von ihm gedacht habe, hab ich ihm Unrecht getan.«
»Sie sagen, jemand vom Büro eines Coroners aus Arizona hätte sich bei Ihnen gemeldet?«
»Ja. Vor etwa zwei Jahren bekomme ich einen Anruf aus Arizona. Irgendjemand da unten ist alte Fälle durchgegangen, unbekannte Tote in der Leichenhalle. Ein Anfänger, dem sie das als Aufgabe gegeben haben. Er hat beschlossen, Fingerabdrücke zu nehmen. Das war vermutlich das einzige Mal, dass ich froh über Reggies Vorstrafen war. Er war nämlich in der FBI-Datenbank, und so haben sie ihn identifiziert. Und Mr. Hayes, mein Mann, hat mir das Geld gegeben, damit ich dorthin fahren und Reggies Asche nach Hause holen konnte.«
Inzwischen, so fuhr sie fort, habe sie den Privatdetektiv, der nach Reggie gefragt hatte, ganz vergessen gehabt. Erst mein Artikel habe sie wieder an ihn erinnert.
»Ich bin Ihnen oder Mr. Ives nicht böse wegen dem, was in dem Artikel steht«, versicherte sie mir, »aber ich bin ins Nachdenken gekommen und hab mir gesagt, dass Reggie für die Sachen, die er wirklich gemacht hat, genug gestraft ist und ich ihn vielleicht in Schutz nehmen sollte. Ich meine, klar, Sie haben nicht direkt geschrieben, dass er sich die Kleine geschnappt hat, aber die Leute werden es denken, genau wie Mr. Ives. Und wenn Mr. Ives aufhört, an den falschen Stellen zu suchen, wird er sie leichter finden.«
Sie gab mir die Namen ihrer Kontakte in Arizona. Ich bedankte mich, machte mir ein paar Notizen und hörte dann weiter Nachrichten vom Band ab.
Als ich mich in meinen Computer einloggte, musste ich feststellen, dass mein Posteingang ebenso überquoll wie meine Mailbox, obwohl mir ein paar Betreffzeilen verrieten, dass sich dahinter die übliche Menge an Schwachsinn verbarg – dumme Scherze und Links, die man mir schon ein Dutzend Mal geschickt hatte. Im Internet kommt einfach nichts um.
Ich löschte Spam-Mails, während ich mit einem halben Ohr den Nachrichten lauschte und daher eine davon erneut abhören musste. Sie
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