Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
stammte von einem jungen Mädchen. Ich fragte mich, warum sie aufgelegt hatte, bevor sie ihre erste Nachricht zu Ende gesprochen hatte, und war daher erleichtert über die zweite.
Ein verängstigtes kleines Mädchen, das mir zwei Nachrichten aufs Band flüsterte. Nachrichten, die sie vor sieben Uhr morgens hinterlassen hatte. Nicht die übliche Uhrzeit für Spaßanrufe von Kindern.
Huntington Beach – dort, wo ein Mann ein Mädchen gesehen hatte, auf das die Beschreibung von Carla Ives passte.
Ein paar Sekunden lang schärfte ich mir ein, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Doch ich war als Journalistin nicht so weit gekommen, indem ich meine Bauchgefühle ignoriert hatte. Ich sprang auf: Falls es nicht Carla Ives war, würde es mich auch nicht allzu viel Zeit kosten, wenn ich einmal eine falsche Spur verfolgte.
Playa Azul und Vista del Mar. Ich schlug die Straßen nach, druckte den Plan aus und lief zur Lokalchefin hinüber. »Ich muss einer Spur nachgehen«, erklärte ich Lydia. »Du kannst mich auf dem Handy erreichen.«
Ich hörte noch ihr verblüfftes »Was …?«, aber nicht viel mehr, als ich aus der Redaktion stürmte.
Ich sah noch einmal auf die Uhr, als ich am Auto ankam.
Wenn ich nicht in einen Stau geriet, könnte ich es gerade so schaffen.
40. KAPITEL
DIENSTAG, 2. MAI, 8:55 UHR EIN EINFAMILIENHAUS IN LAS PIERNAS
Cleo posierte selbstzufrieden vor den verspiegelten Schiebetüren des Kleiderschranks. Diesmal hatte sie wirklich erstklassige Arbeit geleistet. Der Männeranzug stand ihr gut, und die Schuhe gefielen ihr. In ihnen sah sie aus wie jemand, der einer ernsthaften Beschäftigung nachging.
Und was konnte schon ernsthafter sein als Mord?
Bei dem Gedanken musste sie lachen.
Sie hatte auch einen passenden Hut dazu. Wenn sie den Hut aufsetzte und gewisse Eigenarten an den Tag legte sowie einen gewissen Gang annahm, würde niemand, der zufällig gerade aus dem Fenster sah, die Person vor seinen Augen für eine Frau halten.
In den Kofferraum des BMW 325xi, der in der Garage stand, hatte sie bereits vorsorglich einen Overall und Arbeitsstiefel gelegt sowie ein komplettes zweites Kleidungsset. Das sah nun allerdings wirklich toll an ihr aus.
Sie blickte sich um. Eigentlich mochte sie das Häuschen. Bisher war sie in dieser ruhigen Vorortstraße nur zwei Nachbarn begegnet, und keiner von beiden kannte ihren echten Namen. Sie hatte ihnen gesagt, sie sei eine international tätige Handelsvertreterin und reise viel. Sie bewahrte nichts wirklich Wertvolles im Haus auf, hatte aber eine Alarmanlage, die ebenso über den Laptop gesteuert und überwacht wurde wie die kleinen Kameras an der Außenseite des Hauses sowie die Lampen und Radios in den verschiedenen Räumen, die regelmäßig ein- und ausgeschaltet wurden. Die Anlage verständigte sie automatisch, wenn jemand einen Alarm auslöste. Bisher war das nie geschehen, was sie etwas enttäuschte. Auf jeden Fall würde sie das Problem selbst lösen, falls es je eintrat.
Zweimal die Woche kam ein Rasenpflegedienst vorbei, der den Garten ordentlich und grün hielt und dafür sorgte, dass Prospekte und Handzettel von der Veranda verschwanden. Ihre Post wurde an ein privates Postfach geleitet.
Die Idee, unauffällig am Stadtrand zu leben, verdankte sie Roy. Sein Vorbild hatte sie gelehrt, als ideale, ruhige Anwohnerin aufzutreten, die nie ihre Nachbarn belästigte und sich nie von ihnen belästigt fühlte. Sie gab keine Partys und jagte niemandem Angst ein, indem sie dubiose Fremde mitbrachte. Sie brachte überhaupt nie Besuch mit.
Obwohl sie es nie mehr als ein paar Tage am Stück dort aushielt, war das Haus ein hervorragendes Zwischenquartier, solange sie noch dabei war, ihren Hauptwohnsitz zu verlegen.
Sie ging erneut die Vorbereitungen für ihre Arbeit durch. Ein Messer trug sie bereits gut versteckt bei sich – sie hatte fast immer mindestens ein Messer griffbereit. Ihre Beretta hatte sie mehrmals überprüft. Beim Gedanken daran musste sie schmunzeln. Sie mochte Waffen, die so klein waren, dass sie in ihrer Handfläche verschwanden. Die Beretta hatte ihr gute Dienste geleistet. Geladen mit 22er-Kugeln und dicht gegen einen Hinterkopf gepresst, gab sie kaum mehr als ein Ploppen von sich.
Das Geräusch des Schusses, den sie auf Sheila abgegeben hatte, war ihr zuwider gewesen. Sie musste sich zwingen, nicht an diesen Auftrag zu denken. Nicht jedem wäre in dieser Situation die Flucht gelungen.
Eine kleine Reisetasche barg Handschuhe,
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