Böses Blut der Vampire
Jungs spielten. Sophie lag in einem Liegestuhl in Reichweite und Elias stellte Lalla Sara als seine Großmutter vor. Sophie sprach nicht viel französisch, aber für eine einfache Konversation reichte es. Elias musste dennoch einiges übersetzen.
„Weiß sie Bescheid?“, fragte Sophie müde. Elias nickte. „Sie wollte dich und die Jungs kennenlernen.“ Lalla Sara lächelte die kranke Sophie an und griff dann vorsichtig mit ihren beiden Händen nach Sophies Hand, die sie erstaunt ansah. Die kleinen, braunen und faltigen, mit Hennamustern bemalten Hände der alten Dame fühlten sich warm an und alsbald breitete sich Wärme in Sophie Körper aus. Sie wurde schläfrig und döste weg, doch Lalla Sara ließ die Hände nicht los. Wenig Mühe war für die alte Dame nötig, um in Sophies Bewusstsein einzutauchen und sich umzusehen. Was sie sah, machte sie traurig, halb hatte sie es befürchtet. Sie ließ Sophie schlafen und stand auf. „Elias, lass uns zu Doktor Schäfer gehen.“ Ihr Enkel folgte ihr. Sie durchquerten den Garten und Elias öffnete die kleine Pforte, die zu Dr. Schäfers Haus und Garten führte. Der junge Vampir betätigte die Klingel, der Summer ertönte und die Tür ging auf. Elias, der das Haus gut kannte, ging direkt durch und betrat des alten Doktors Behandlungsraum. Dr. Broich, der jüngere Partner von Dr. Schäfer, der die Praxis mittlerweile hauptsächlich führte, hatte seinen freien Tag. „Lalla Sara! Es ist eine wie immer eine große Freude, Sie zu sehen. Wie geht es Ihnen? Was macht die Familie?“ „Sorgen und viel Arbeit, wie immer. Aber die Stiftung wächst und gedeiht, die Studenten, die zuletzt gekommen sind, arbeiten im Archiv und fördern so manches zutage. Zuletzt alte Schriften aus der Bibliothek von Córdoba, die im zehnten Jahrhundert als eine der größten Errungenschaften in Al-Andalous galt. Mehr als eine halbe Million Bücher und Schriftrollen gab es in der von Kalif al-Hakam II. 1 geförderten Bibliothek. Ein kleiner Teil davon fand den Weg zu uns.“ „Hört sich wirklich interessant an. Was macht der alte Zausel Oleg?“, erkundigte der Arzt sich nach seinem Freund. „Lässt Sie herzlich grüßen und ausrichten, dass das Gebirgs- und Wüstenklima eine Wohltat sei im Vergleich zu der feuchten Suppe am Rhein. Seine Worte, nicht meine.“ Lalla Sara schmunzelte und dachte an den bei der Kasbah lebenden Oleg von Leistikow, einem pensionierten Mitarbeiter des Bonner Amtes für Militärkunde. Der Graf hatte das Thema Al-Buchari-Vampire in der Bonner Behörde betreut und war zusammen mit seinen Vorgesetzten zu der Erkenntnis gelangt, dass die Al-Bucharis eine friedliebende Vampirspezies darstellten, mit der man leben könne. Seit seiner Pensionierung arbeitete er ehrenamtlich für die Stiftung und sie war sehr zufrieden, einen geistreichen Gesprächspartner zu haben. Dabei wusste sie natürlich, dass Leistikow auch gelegentlich noch seiner alten Behörde berichtete, aber da sie nichts zu verbergen hatte, war das in Ordnung. „Er meinte auch, dass Sie sich wieder einmal blicken lassen könnten, schließlich sei es selbst medizinischen Laien bekannt, dass Sonnenlicht und Wärme morschen alten Knochen gut täten und das marode, alte Gerippe des Godesberger Quacksalbers und Knochenrasslers - wiederum seine Worte - könnte von der Sonne im Gebirge nur profitieren, auch wenn zu vermuten sei, dass selbst die marokkanische Sonne den Verfall nicht aufhalten würde“, lächelte Lalla Sara. Sie schätzte die spitze Zunge des pensionierten Geheimdienstlers. Der so Titulierte schnaufte scheinbar empört: „Altes Gerippe, pah! Wer hat denn das Abo auf Bandscheibenprobleme? Ich nicht.“ „Kommen Sie uns doch mal wieder besuchen, wir haben auch einige Handschriften und Zeichnungen mit medizinischen Abhandlungen der damaligen Zeit gefunden. Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.“ Mit diesen Worten zog sie eine Mappe hervor, die der alte Arzt öffnete. Vorsichtig blätterte er in den alten Seiten. „Es ist aus dem Buch al Tasrif von Abu l-Qasim Chalaf ibn al-Abbas az-Zahrawi. Sie kennen ihn vielleicht unter dem Namen Albucasis. Er war Leibarzt von Al-Hakam und dessen Vater Abd ar Rahman III. Die Blätter zeigen Abhandlungen zur Behandlung ausgekugelter Schultergelenke“, erklärte Lalla Sara. „Albucasis? Mein alter Ordinarius erwähnte ihn immer als den Vater der modernen Chirurgie“, bemerkte Dr. Schäfer anhand der Abbildungen und nahm sie näher in Augenschein. „Das ist die Kocher
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