Böses Blut der Vampire
die Bücher zurück ins Regal und überprüfte vorsichtig Sebastians Bewusstsein. Der Junge war kurz davor aufzuwachen. Ein Wunder, dass der bei dem Unwetter überhaupt schlafen konnte. Das Telefon klingelte im Haus. Als der Vampir auf die Uhr blickte, staunte er. Seit mehr vier Stunden hielt er sich jetzt bei Sebastian auf und stöberte durch dessen Leben. Die Zeit war wie im Fluge vergangen. Weshalb war ich eigentlich gekommen? Um dir zu zeigen, dass es nicht gut ist, sich mit mir anzulegen. Und jetzt stöbere ich hier in deinen Büchern. „Großer Gott! Ja, danke für die Warnung“, erscholl eine Stimme im Haus und Cosmin fluchte lautlos. Die Familie wurde wach, es war wohl nur noch eine Frage von Augenblicken, bis Sebastian es ihnen gleichtat. Der Vampir hastete auf den kleinen Balkon vor Sebastians Zimmer und zog sich das Shirt über den Kopf. Noch in der Balkontür verwandelte er sich und breitete seine Schwingen aus, um mit lautem Flattern zu entschwinden.
Sebastian setzte sich schlaftrunken auf und rieb sich die Augen. Ein Blitz erhellte das Zimmer und einen Augenblick glaubte er einen Schatten auf der Wand zu sehen, wie der Schattenriss einer gigantischen Fledermaus. Bevor er darüber nachdenken konnte, ertönte wieder die Stimme seines Vaters, der seine Mutter aufforderte, ihn zu holen. Die Stimmen waren kaum zu verstehen, sie wurden überlagert von einem seltsamen Brausen, wie ein lauter Güterzug, der nahe am Haus vorbeifuhr. Aber in der Nähe des Hauses war gar keine Bahnlinie. Und jetzt ertönte Sirenenalarm aus verschiedenen Richtungen der Stadt. Seine Mutter stürzte in das Zimmer.
„Mach schnell, Junge, zieh dich an. Wir müssen in den Keller. Ein Tornado ist über der Stadt. Der Katastrophenschutz hat eine Warnung herausgegeben“, rief sie panisch und verließ das Zimmer wieder. Sebastian war auf einen Schlag hellwach und stürzte zum Balkon. Sebastian zappelte zwischen Panik und Neugierde, schließlich siegte seine Neugierde und er riskierte einen Blick vom Balkon. Neugierig, wie er war, wollte er nachsehen, ob draußen etwas zu erkennen wäre. Jetzt erkannte er auch das Geräusch, zusammen mit Malte hatte er genug Twister-Filme gesehen. Aber ein Tornado hier in Plauen? Er stand auf dem Balkon und suchte den Himmel ab. Heftiger Wind pfiff ihm um die Ohren und er musste sich am Geländer festhalten. Suchend ging sein Blick über den Südhimmel, von dort war das Gewitter vorhin gekommen. Die Stadtbeleuchtung funktionierte und auch die zahlreichen Blitze erhellten den Himmel gelegentlich. Am Himmel sah er einen flatternden Gegenstand. Weiter rechts erkannte er eine dunkle, wirbelnde Wolkenwand, das musste der Tornado sein. Er zog in östlicher Richtung davon, soweit er das in der Dunkelheit erkennen konnte. Dann rückte der flatternde Gegenstand wieder in sein Blickfeld und er versuchte zu erkennen, was das war, das sich am Himmel zu halten versuchte. Doch dann war das Objekt verschwunden und in dem Moment kam sein Vater aufgebracht zu ihm und packte ihn hart an der Schulter. „Brauchst du eine Extra-Einladung? Da rast ein Tornado über die Stadt und du stehst auf dem Balkon? Willst du Gott versuchen?“ „Reg dich nicht auf, der Tornado rüsselt gerade Richtung Osten ab“, versuchte Sebastian sich rauszureden. Schwaches Argument, Basti, da hat Vater recht, mußte er sich eingestehen. „Aha und wer sagt, dass es der einzige Wirbelsturm ist? Oder er nicht noch in letzter Minute dreht? Da können noch mehr kommen, der Katastrophenschutz hat die Warnung nicht aufgehoben. Jetzt komm endlich mit runter.“ Sebastian, der immer noch halb nackt war, griff sich seine Klamotten und folgte dann seinem aufgeregten Vater in den Keller. Unten wartete schon seine Mutter, die ein kleines, altes Radio eingeschaltet hatte und den Nachrichten lauschte. Zwischen ihren Händen klimperten die Perlen des Rosenkranzes und sie betete leise vor sich hin. Von draußen war weiter das Heulen zahlreicher Sirenen, das Trommeln von Hagel und das sich langsam abschwächende Brausen des Tornados zu hören. Dabei donnerte es weiter, und weil es so häufig donnerte, schreckten die im Keller Wartenden immer wieder auf. Nach einer Weile klingelte das Handy des Stadtrates. Nachdem er den Worten des Anrufers gelauscht hatte, verkündete Peter Harrach erleichtert das Ende des Alarms und die Familie verließ den schützenden Kellerraum. Das Haus war unversehrt, aber im Garten und in der Einfahrt lagen ein paar Dachziegel und
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