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Bran

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Titel: Bran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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Konturen messerscharf heraus. Ihre taumelnden Silhouetten schmerzten in den Augen. Der Verkehr tobte unaufhörlich. Es war ein Wagestück, seine wütenden Katarakte zu durchqueren. Die Scooter schossen dicht an ihnen vorbei. Im tränenden Glast lösten sich ihre Formen auf und flossen ineinander. Das erbarmungslose Licht des Planeten verflüssigte alles und ließ es zu glosenden Legierungen ineinanderrinnen. Passanten rempelten sie an. Gleiter wichen in letzter Sekunde aus, zu heulenden Manövern gezwungen, die ihrerseits weitere Verkehrsteilnehmer zu haarsträubenden Wendungen nötigten. Es war, als wäre er in einen Tanz von Derwischen geworfen, die ihren sengend heißen Fetisch umrundeten, der heiser dazu stöhnte.
    Als sie den Frieden der gegenüberliegenden Arkaden erreicht hatten, schien es ihm, dass er sich nie zuvor in solcher Gefahr befunden hatte wie der, der er gerade entronnen war. Angesichts seiner langen Laufbahn war das natürlich übertrieben. Aber die Tage in der Kühle und der Einsamkeit des Palastes hatten ihn verweichlicht. Das viele Nachdenken hatte seine Reflexe angegriffen und sie mürbe gemacht wie das Nichtstun die Schläge eines Boxers.
    »Du schwitzt.« Cejla war an seiner Seite. Er hatte sich an sie gewöhnt. Ihre Gegenwart wirkte beruhigend auf ihn.
    »Ich bin das nicht gewohnt.« Er versuchte, komisch zu wirken. »Wo ich herkomme, gibt es Verkehrsregeln, Signale, eigene Trassen für Fußgänger.« Straner zog den Mund schief. »Im Umkreis um die Mall, dem Regierungsviertel von Rangkor-Stadt, sind Fahrzeuge aller Art verboten. Selbst die Bots dürfen dort keine Magnetvorrichtungen haben.« Er sah sie seltsam an. »Wenn ein Gartenbot den Rasen bis zum einen Ende gemäht hat, hebt er sein Schneidewerkzeug an« – er machte es vor: wie ein altes Weib, das seine Röcke refft – »und watschelt damit an die Ausgangsstelle zurück, wo er von vorne anfängt.«
    »Ich denke, Zeit ist bei euch so kostbar.« Sie hatten den Weg zum Städtischen Archiv eingeschlagen, das um eine Seitenstraße versetzt dem Regierungspalast und den Ministerien schräg gegenüberlag.
    »Kostbarer ist, in diesem speziellen Bereich, die Würde des Ortes. Es muss gewährleistet sein, dass man sich in Ruhe unterhalten kann, ohne um sein Leben fürchten zu müssen.«
    »Rentnerplanet.« Ihr schmaler Mund gebar ein winziges Lächeln.
    »Sagt man das?« Straner war hellhörig geworden.
    »Du würdest dich wundern, was man sich alles über euch erzählt.«
    »Deswegen bin ich doch hier!« Er blieb stehen und fasste sie am Oberarm. Ihre Miene, die sich während der letzten Worte ein wenig entspannt hatte, gefror sofort wieder. Er ließ sie los.
    »Du bist nach Zhid gekommen, um dir Klatsch und Gerüchte anzuhören?«
    »Warum nicht?«
    »Dazu hättest du keine Audienz bei Mordal Khan gebraucht.«
    »Alles kann aufschlussreich sein. Das sage ich doch.«
    Sie ging darauf nicht ein. Schweigend schlängelten sie sich zwischen den Passanten durch, die zu dieser Stunde die Arkaden und die angrenzenden Passagen bevölkerten. Das Stadtzentrum rund um die Regierungsbauten war gehobenen Boutiquen und Antiquitätenläden vorbehalten, berechnet auf eine zahlungskräftige Klientel. Dennoch brodelte auch hier ein wildes Völkergemisch. Auf jedem Schritt begegneten einem mehr Rassen, Trachten, Stammesabzeichen und bizarre Szenen, als man sie auf ganz Rangkor hätte antreffen können. Auch hier gab es Bettler, die sich in den Schatten der Markisen drückten. Blinde Nomaden von Tinerfaro, dessen blaues Licht die Augen tötete. Veteranen von den Salzkriegen auf Panesh. Heruntergekommene kirgolische Tuchhändler. Verarmte Bauern aus den Bergen von Kazazunt. Manche von ihnen hielten kleine Waren feil, primitive Handarbeiten, ländliches Kunsthandwerk, nachgemachte Stoffe oder Götterbilder. Andere reckten die Stümpfe amputierter Gliedmaßen empor.
    Straner ertappte sich bei dem Gedanken, dass er sie für Scharlatane hielt. Die Prothesenindustrie von Rangkor hätte alle diese Einbeinigen und Einarmigen wieder gehen und greifen gemacht.
    »Ich weiß, was du denkst.« Cejlas Stimme war dicht an seinem Ohr. Dabei hörte er den harten Schall ihrer hohen Absätze wenigstens zwei Schritte hinter sich. Eine feine Berührung war an seinem Kopf, als lege sie ihm zart die Fingerspitzen auf die Schläfen. »Die Technologie ist nicht das Problem. Diese Leute haben nicht das Geld, sich eure kostspieligen Produkte leisten zu können.«
    Er fühlte sich

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