Brandzeichen
auch noch in Gruppen auf. Ich glaube, das nennt man irgendwie.«
»Alliteration«, sagte Jin. Dann grinste er. »Oder war es Onomato
p
öie?« Er und Neva mussten laut lachen. Diane, die das Ganze für einen ziemlich müden Witz hielt, verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.
David schaute von einem zum anderen und sagte dann zu Diane: »Siehst du jetzt, womit ich mich hier abgeben muss? Die beiden sind einfach nicht ausgelastet und haben zu viel Zeit für schräge Ideen.«
Jetzt musste auch Diane lachen. Gleichzeitig hatte sie ein leichtes Déjà-vu-Gefühl, wusste aber nicht, was dieses ausgelöst hatte. Dass sie es überhaupt hatte, war bei einer solch ungewöhnlichen Unterhaltung doch recht seltsam. Sie schüttelte den Kopf, als ob sie dadurch auch dieses Gefühl abschütteln könnte.
»Ich würde mich gerne noch weiter mit euch unterhalten«, sagte sie dann, »aber die Arbeit ruft. Ich bin die nächste Zeit in meinem Museumsbüro. Und denken Sie immer daran, Jin, von Ihrer Arbeit hängt es ab, ob wir hier ein DNA -Labor bekommen.«
»Hey, Boss, kein Druck!«
Als David zu seinem Computer zurückkehrte, schüttelte er immer noch den Kopf und warf Jin und Neva konsternierte Blicke zu.
»Jetzt haben Sie ihn endgültig paranoid gemacht«, sagte Diane. »Er wird nie mehr ein Wort benutzen, das mit dem Buchstaben
p
anfängt.«
[home]
30
L aura Hillards Päckchen war bereits angekommen, als Diane in ihr Museumsbüro zurückkehrte. Andie hatte es ihr auf den Schreibtisch gelegt. Diane öffnete den Umschlag und schüttete den Inhalt auf die Schreibtischplatte. Es handelte sich um Kopien von Polizeiberichten, Zeitungsausschnitte und eine Tonbandkassette. Sie begann mit den vergilbten Zeitungsausschnitten. Man hatte sie chronologisch geordnet und dann zusammengeheftet. Dianes erster Gedanke war, dass man sie einmal entsäuern sollte. Sie lächelte in sich hinein. Dass sie erst einmal an die Konservierung des Papiers dachte, war eine Folge ihrer Museumstätigkeit.
Der erste Artikel trug das Datum des 29. Septembers 1987 und berichtete von Juliets Verschwinden. Aufmacher war ein Schulfoto der kleinen Juliet. Sie lächelte in die Kamera und sah absolut glücklich aus. Diane fragte sich, ob sie nicht vielleicht damals zum letzten Mal so unbeschwert und glücklich gewesen war. Sie las den Artikel mehrmals durch. Er enthielt nicht viel Konkretes außer Juliets Beschreibung und der Information, sie werde seit dem gestrigen Tag vermisst, und man habe sie zuletzt gesehen, wie sie im Garten hinter ihrem Haus spielte. Diane fragte sich, ob das ein eingezäunter Garten gewesen war, wie leicht es also den Kidnappern gefallen war, an sie heranzukommen.
Der zweite Ausschnitt stammte vom 2. Oktober 1987 und beschrieb Juliets Auffindung. Eine Gruppe von Kindern hatte sie entdeckt, als ihr Basketball über eine Böschung in einen betonierten Entwässerungskanal gerollt war. Sie lag in diesem Kanal zwischen Schlamm und Steinen, als ob sie hineingespült worden wäre. Die Jungs zogen sie sofort heraus, und einer von ihnen informierte die Polizei. Neben dem Artikel war das Bild einer Reihe von lächelnden Buben abgedruckt, von denen einer einen Basketball in der Hand hielt. Daneben war ein Bild des leeren Entwässerungskanals zu sehen.
In dem Artikel stand, man habe ihr Betäubungsmittel eingeflößt und sie dann gewürgt. Als sie ohnmächtig geworden sei, habe sie der Entführer offensichtlich für tot gehalten. Er habe sie dann in die Betonrinne gelegt und dort zurückgelassen. Ein leichter Herbstregen habe dann Schlamm, Steine und Laub in den Kanal gespült, die ihren kleinen Körper beinahe begraben hätten. Sie habe großes Glück gehabt, dass sie nicht ertrunken sei.
Was für eine fürchterliche Geschichte,
dachte Diane. Sie fragte sich, was Juliet empfunden haben mochte, als sie Jahre später diesen Artikel las. Kein Wunder, dass sie posttraumatische Stresssymptome zeigte. Das würde jedem so gehen, der ein solches Martyrium durchmachen musste.
Der dritte Ausschnitt vom 7. November 1987 war dann schon viel kürzer. Es hieß darin nur, dass die Polizei auch nach einem Monat noch keine Anhaltspunkte dafür habe, wer Juliet entführt und für tot zurückgelassen haben könnte. Auch ein Motiv habe noch nicht gefunden werden können.
Als Nächstes nahm sich Diane die Kopie des Polizeiberichts vor, der offensichtlich lückenhaft war. Er enthielt die Vermisstenanzeige, Juliets Schulfoto und den Bericht eines Arztes, der
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