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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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recht bösartiges Naturell. Klingt das nach dem, was ihr sucht?«
    Aber Lem ging ihm nicht auf den Leim.  Einen Augenblick lang sagte keiner etwas. Eine frische, nach Pinien duftende Brise wehte durch das zersplitterte Fenster herein und blies etwas von dem üblen Gestank fort. Einer der Laborleute sagte »Ah!« und holte mit seiner Pinzette etwas aus dem Trümmerfeld.
    Lem seufzte müde. Das lief gar nicht gut. Sie würden nicht genug finden, um daraus schließen zu können, was Dalberg getötet hatte, aber sie würden genügend Beweismaterial sammeln, um höllisch neugierig zu werden. Hier aber ging es um eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit, in die seine Nase zu stecken für einen Zivilisten höchst unklug war. Lem würde ihre Ermittlungen verhindern müssen. Er hoffte, das zu  schaffen, ohne Walt zu verärgern. Es würde ihre Freundschaft echt auf die Probe stellen. Plötzlich wurde Lem, der immer noch den Sack mit der Leiche anstarrte, bewußt, daß etwas mit der Form der Leiche nicht stimmte. Er sagte:
    »Der Kopf ist nicht da.«
    »Euch Feds entgeht aber wirklich nichts, wie?« sagte Walt.
    »Hat man ihn geköpft?« fragte Cliff Soames unruhig.
    »Kommt mal mit«, sagte Walt und führte sie in den nächsten Raum. Es war eine große, wenn auch primitive Küche, mit einer Handpumpe am Ausguß und einem alten, mit Holz zu beheizenden Herd. Mit Ausnahme des Kopfes gab es in der Küche keine Spuren von Gewalttätigkeit. Aber der Kopf war natürlich schlimm genug. Er lag mitten auf dem Tisch. Auf einem Teller.
    »Du lieber Gott!« sagte Cliff leise. Während sie den Raum betraten, war ein Polizeifotograf gerade damit beschäftigt, den Kopf aus verschiedenen Blickwinkeln zu fotografieren. Er war noch nicht fertig, trat aber einen Schritt zurück, damit sie besser sehen konnten. Die Augen des Toten fehlten; man hatte sie ihm herausgerissen. Die leeren Augenhöhlen schienen tief wie Brunnen. Cliff Soames war so weiß geworden, daß seine Sommersprossen im Kontrast dazu auf seiner Haut brannten wie Glut. Lem empfand Übelkeit, nicht nur wegen dem, was Wes Dalberg widerfahren war, sondern wegen all der Toten, die es noch geben würde. Er war stolz auf sein Können auf dem Feld polizeilicher Ermittlungsarbeit und Organisation und wußte, daß er diesen Fall besser als sonst einer bearbeiten konnte. Daneben aber war er ein erfahrener Praktiker und somit außerstande, einen Feind zu unterschätzen und daher so zu tun, als werde es für diesen Alptraum ein baldiges Ende geben. Er würde Zeit, Geduld und Glück brauchen, um den Killer aufzuspüren, und bis dahin würden sich weitere Leichen auftürmen.
    Man hatte dem Toten den Kopf nicht abgeschnitten; so sauber und ordentlich war das nicht vor sich gegangen. Es hatte den Anschein, als wäre er mittels Krallen, Bissen und unter Krafteinsatz abgerissen worden. Lem spürte plötzlich, daß seine Handflächen feucht waren. Seltsam ... wie die leeren Augenhöhlen des Kopfes ihn fixierten, als enthielten sie noch weit offene, starr blickende Augen. Ein einzelner Schweißtropfen rann ihm über den Rücken. Er hatte mehr Angst als je in seinem bisherigen Leben, mehr, als er je geglaubt hatte, haben zu können - aber wollte nicht, daß man ihn aus irgendeinem Grund von diesem Fall abzog. Es war für die Sicherheit der ganzen Nation und die Sicherheit der Öffentlichkeit von vitaler Bedeutung, daß man diesem Notfall richtig begegnete, und er wußte, daß das wahrscheinlich niemand so gut konnte wie er. Es war nicht nur sein Ego, das da aus ihm sprach. Jeder sagte, er sei der Beste, und er wußte, sie hatten recht. Sein Stolz war gerechtfertigt, falsche Bescheidenheit kannte er nicht. Das hier war sein Fall, und er wollte ihn zu Ende bringen. Seine Eltern hatten ihm ein fast zu stark ausgeprägtes Gefühl für Pflicht und Verantwortung anerzogen.
    »Ein schwarzer Mann«, pflegte sein Vater zu sagen,  »muß das, was man ihm aufträgt, doppelt so gut erledigen wie ein weißer, um dafür überhaupt Anerkennung zu ernten. Für Bitterkeit ist da kein Platz. Es ist auch nicht wert, dagegen zu protestieren. Es ist einfach eine der Tatsachen des Lebens. Ebensogut könnte man dagegen protestieren, daß es im Winter kalt wird. Statt zu protestieren, mußt du dich einfach den Tatsachen stellen, doppelt so hart arbeiten, dann kommst du dorthin, wo du hin möchtest. Und Erfolg mußt du haben, weil du für alle deine Brüder die Fahne trägst.« Als Folge dieser Erziehung war Lem

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