Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta
Kartoffelkloß. Nie im Leben hätten diese beiden Aristokraten Kartoffelklöße mit Schinkenspeck gefressen, wenn ich sie auf ihre Teller gelegt hätte. Aber wenn sie auf Entdeckungsreise ausgehen und etwas stibitzen konnten, dann war es spannend, dann schmeckte es! Also brauchte ich das neue Katzenessen nur auf einen unzugänglichen Platz zu stellen und die Tiere schnüffeln und suchen lassen. Wenn sie dachten, dies sei gar nicht für sie bestimmt, dann rutschte das Essen glatt runter. So brachte ich ihnen bei, Suppe mit eingeweichtem Brot zu fressen. Sobald sie erst einmal Geschmack daran gefunden hatten, ging alles glatt. O ja, mit der Zeit würden meine Pflegekinder richtige Prachtexemplare werden!
Nach und nach gelang es uns, eine Art Tagesordnung einzuführen. Vati war sehr lieb. Morgens holte er schon den Koks aus dem Keller; nachdem er sich drei Finger verbrannt hatte und Ausdrücke gebrauchte, die ganz und gar nicht für meine Ohren gedacht waren, hatte er endlich herausgefunden, wie man in einem Ofen Feuer macht. Es waren nämlich wahrhaftig richtig altmodische Öfen im Haus, nichts von Zentralheizung oder ölfeuerung. Während er das Feuer anmachte, ging ich Brot holen. Vati setzte das Kaffeewasser auf, und dann tranken wir unseren frühen Morgenkaffee.
Vati hatte es immer sehr eilig, aus dem Haus zu kommen. Er fuhr mit der Staffelei unter dem Arm in die Stadt. Ich trug das Freßpaket und den Malkasten, und so fuhren wir mit Zug und Metro zu dem Ort, den Vati sich ausgesucht hatte. Er hatte in der Nähe einer Seinebrücke „das herrlichste Motiv seines Lebens“ gefunden und ließ sich dort mit seinem Malzeug nieder. Ich hinterließ das Eßpaket bei ihm und zog auf eigene Faust los. War ich hungrig, lief ich zurück zu Vati. Wir aßen unsere Brote und tranken Kaffee aus der Thermosflasche und schwatzten. Ich erzählte, was ich gesehen hatte und wo ich gewesen war und welche französischen Vokabeln ich neu gelernt hatte.
Manchmal kam auch der Architekt Latour, plauderte mit mir in seinem unmöglichen Deutsch und hörte meine französischen Wörter ab. Dann stopfte er Vati und dessen Malsachen ins Auto und entführte ihn für den Rest des Tages. Ich trollte mich nach Hause zu meinen Katzen, meinem Haushalt und meinen französischen Studien. Jeden Abend lernte ich aus meinem französischen Lehrbuch und schrieb die Redewendungen auf, die ich im Laufe des Tages gelernt hatte. Es dauerte nicht so sehr lange, bis ich meine Einkäufe einigermaßen gut erledigen konnte. Zum Glück hatte ich selbst keine Ahnung, was für schreckliche Schnitzer ich machte.
Die Hauptsache war, daß man mich verstand.
Ich mochte Latour furchtbar gern: ein großer breiter Mann mit dunklem Bart und Brille und einem lustigen Bäuchlein. Er war Junggeselle und wohnte in einer todschicken Wohnung am Montmartre. Vati und ich waren an einem Nachmittag dort. Es machte viel Spaß, die Wohnung mit all den wunderschönen Bildern anzusehen, doch ich kam mir etwas überflüssig vor. Die beiden Männer hatten so viel zu reden, daß sie mich glattweg vergaßen. Und keiner widersprach mir, als ich sagte, ich müsse nach Hause zu den Katzen und dem Haushalt.
Ja, dies war der Wermutstropfen in meinem Pariser Freudenbecher. Ich war sehr einsam. Vati war lieb und reizend, doch er war auf einer Stipendienreise und mußte studieren, und das Zusammensein mit Latour hatte in hohem Grade mit seinem Studium zu tun, das wußte ich. Vati konnte nicht Kunst studieren und sich gleichzeitig um mich kümmern. So kam es, daß ich in der ersten Zeit hauptsächlich nur die nähere Umgebung von dem Platz zu sehen bekam, wo Vati malte. Um den Louvre und die Tuilerien herum kannte ich bald jede Straße wie meine eigene Tasche. Ich kannte die Place de la Concorde und die Champs-Elysees. aber wann würde ich den Jardin des Plantes und den Jardin du Luxembourg, Versailles, Montparnasse und den Zoo in Vincennes kennenlernen? Wann würden wir in die großen Geschäfte gehen, wann würde ich all das sehen, wovon Vati mir zu Hause schon erzählt hatte? Und was meine Kusine Ellen mit glühender Begeisterung empfohlen hatte! Es ließ sich nicht leugnen, ich war eine kleine ungeschickte Hausfrau in Colombes geworden und keine strahlende Reisende in Paris.
Ja, ungeschickt war ich! Und eins weiß ich: Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich ein Gesetz einführen, das für alle jungen Mädchen Hauswirtschafts-Unterricht verordnete! Ich bereute bitterlich, daß ich Omi nicht
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