Braut wider Willen
rief knapp: »Ale!«
Er ergriff das lederne, mit Pech abgedichtete Gefäß und leerte es in einem Zug. Dann warf er eine Münze auf den Schanktisch und rief nach seinem Pferd. Er wollte nach Oxford zurückkehren und Vorbereitungen für die Rückkehr ins Haus seines Stiefvaters treffen.
Phoebe war im Begriff, den Zauntritt zur Gutsfarm zu überklettern und zur Hintertür des Hauses zu laufen, als lautes Hufgetrappel und das Klirren von Zaumzeug durch die klare Luft an ihr Ohr drangen. Es hörte sich wie eine größere Kavalkade an, die sich über die vereisten Wagenspuren der Straße von Oxford her näherte. Ihre Neugierde war erwacht. Sie ließ sich auf dem Zauntritt nieder und wartete, wer um die Straßenbiegung kommen würde. Eine Abteilung der Parlaments-Miliz, mutmaßte sie, da im Themse-Tal laufend Truppenbewegungen stattfanden.
Ihre Aufmerksamkeit wurde als Erstes von der im Wind knatternden Standarte angezogen. Sie flatterte über den Hecken, als die Reiter sich der Ecke näherten. Es war der Rothbury-Adler. Rufus Decatur war zurückgekommen, um Frau und Kinder abzuholen.
Phoebe vergaß die Vorkommnisse des Morgens völlig. In ihrem Bestreben, sich zu verbergen, ehe Rufus sie erblickte, fiel sie halb vom Zauntritt. Sie wusste genau, wie sie den Earl of Rothbury begrüßen würde – in ihrer gegenwärtigen Aufmachung jedenfalls nicht.
Sie lief querfeldein und zerrte an ihrem Umhang, als er sich an einem Dornenstrauch verfing. Ein hartes, reißendes Geräusch war zu hören, doch Phoebe achtete nicht darauf. Sie lief durch den Obstgarten und stürzte durch die Küche ins Haus.
Mistress Bisset bedachte sie mit einem erschrockenen Blick, als sie an der Wäschekammer vorüberlief, um sich gleich darauf achselzuckend wieder der Inventur der Bettwäsche zu widmen. Lady Granville war im Haus noch immer Lady Phoebe.
Im Schlafgemach riss sich Phoebe ihr altes Kleid vom Leib und warf es in eine Ecke. Mit Wasser aus dem Krug benetzte sie Gesicht und Hände. Wie viel Zeit blieb ihr, ehe die Reiter eintrafen? Sie war querfeldein gelaufen, die Abteilung aber hatte noch eine Meile auf der Straße zurückzulegen und eine halbe die Auffahrt entlang. Und dann folgte das Durcheinander beim Absitzen. Ihr blieben zwanzig Minuten.
Sie öffnete den Schrank und holte das dunkelrote Seidenkleid hervor. Dieses hatte Cato noch nicht gesehen. Sie hatte die Absicht gehabt, ihn damit beim Abendessen zu überraschen, aber viel besser war es, sich damit zu zeigen, wenn sie ihre ersten richtigen Gäste als Gutsherrin empfing. Zwar würde es Rufus Decatur nicht besonders auffallen, denn ein Mann, der seine Frau am liebsten in Breeches sah, würde die Pracht der dunkelroten Seide nicht zu würdigen wissen. Aber schließlich war es nicht der Earl of Rothbury, den Phoebe beeindrucken wollte.
Sie zog das Kleid über den Kopf und kämpfte verzweifelt mit den Häkchen im Rücken. Ihre Arme schmerzten durch das ständige Verdrehen, und immer wieder versuchte sie, über die Schulter in den Spiegel zu blicken, während sie mit den winzigen Häkchen kämpfte, aber schließlich hatte sie es geschafft.
Sie strich die reichen Seidenfalten glatt. Sie fühlten sich wundervoll weich und schmeichelnd an. Ihr Haar hing bereits in einer dichten Flechte über den Rücken. Sie drehte es im Nacken zu einem Knoten und sicherte diesen mit ein paar Nadeln, wobei sie hoffte, er würde besser halten als am vorangegangenen Abend.
Ihr Spiegelbild war höchst zufrieden stellend. Sie strich glättend über den Spitzenkragen und eilte zur Tür. Aus der Halle war Lärm zu hören. Am oberen Ende der geschwungenen Treppe innehaltend, blickte sie in Erwartung des geeigneten Moments für ihren Auftritt hinunter.
Rufus Decatur stand auf der Schwelle. Cato Granville trat vor, um ihn zu begrüßen. Die beiden glichen einander in Größe und Statur, doch bildeten Rufus' rotes Haar und sein Bart, sein schlichtes Wams und die Breeches, das praktische, aber matte Leder seiner Stiefel und Handschuhe einen auffallenden Gegensatz zur dunklen, vornehmen Erscheinung Catos in seinem eleganten schwarzen Samtrock mit dem Spitzenkragen. Beide aber verströmten dieselbe Aura gezügelter Kraft, beide zeigten in Haltung und Bewegungen die lässige Selbstsicherheit der Befehlsgewohnten.
»Ich heiße Euch willkommen, Rothbury.« Cato streckte seine Hand aus.
Rufus streifte seinen Handschuh ab und ergriff die Hand zu einem kurzen Händedruck. »Ich bin gekommen, um Euch von meiner Brut zu
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