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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Stunden um Stunden, waren ihr Los gewesen; ihre Sprache war die der Gesetzgeber, ehe es die der Liebe wurde. Auch jetzt sagte Buzot nicht viel. Er wirkte verwirrt, zerrissen, gequält. Er war jünger als sie, weniger geschult im Umgang mit seinen Empfindungen. Er hatte eine Frau, ein unscheinbares Geschöpf, älter schon.
    Manon riskierte es, die Fingerspitzen auf seine Schulter zu legen, während er mit dem Kopf in den Händen dasaß. Es war tröstlich, und ihre Finger zitterten dadurch nicht mehr so.
    Sie mussten sich vorsehen. Die Zeitungen dichteten ihr Liebhaber an – bevorzugt Louvet. Bisher hatte sie immer verächtlich reagiert: Hatten sie keine wichtigeren Themen, fiel ihnen nichts Geistreicheres ein? (Auch wenn diese Sticheleien und Spottgedichte sie insgeheim bis an den Rand der Tränen brachten: Warum behandelte man sie mit der gleichen Verachtung wie diese überspannte Irre, Théroigne – mit der gleichen Verachtung, wenn sie ehrlich war, wie früher Marie Antoinette?) Trotzdem, die Zeitungen ließen sich gerade noch ertragen; schlimmer war das, was in der Gerüchteküche des Justizministeriums zusammengebraut wurde.
    Bemerkungen von Danton wurden ihr hinterbracht; sie setze ihrem Mann seit Jahren Hörner auf, behauptete er, in jedem moralischen Sinne, wenn auch vielleicht nicht im physischen. Aber was wusste er schon von ihr, was ahnte er von den subtilen Arten der Erfüllung, die sich der Beziehung zwischen einer keuschen Frau und einem Ehrenmann abgewinnen ließen? Es war unmöglich, sich ihn in irgendwelchen anderen Zusammenhängen als denen derbster Körperlichkeit vorzustellen. Manon hatte seine Frau gesehen; nach seiner Ernennung zum Minister hatte er sie einmal in die Manege mitgebracht, wo sie oben in der Galerie sitzen und zuhören durfte, wie er die Abgeordneten zusammenstauchte. Sie machte einen dumpfen Eindruck, schwanger; Haferschleim und Säuglingsbrei, das war im Zweifel alles, was sie im Kopf hatte. Trotzdem, sie war eine Frau – wie erträgt sie es, hatte Manon laut gefragt, wie erträgt sie es, sich unter den Fleischmassen dieses Wüstlings begraben zu lassen?
    Es war so ein unbedachter Kommentar, wie ihn nur blanker Abscheu hervorbringen kann, und bis zum nächsten Tag hatte er sich natürlich in der ganzen Stadt herumgesprochen. Sie errötete bei der bloßen Erinnerung.
    Bürger Fabre d’Églantine stattete ihr Besuche ab. Er schlug die Beine übereinander und legte die Fingerspitzen zusammen. »Ach, meine Liebe«, sagte er.
    Grauenhaft, dieser vertrauliche Ton, den er sich herausnahm. Dieser unseriöse Kerl, der mit Weibsbildern herumzog, die sich am äußersten Rand der guten Gesellschaft bewegten – dieses Stück Mensch mit seinen Theaterallüren und den abschätzigen Bemerkungen hinter dem Rücken der Leute: Sie schickten ihn zu ihr, damit er sie beobachtete, und hinterher ging er dann hin und erstattete Bericht. »Der Bürger Camille«, verkündete er ihr, »deutet Ihre mittlerweile legendäre Bemerkung ja so, dass Sie sich zu unserem Minister extrem stark hingezogen fühlen – wie es schon von Anfang an sein Verdacht war.«
    »Es erstaunt mich, dass er Einblick in meine Gefühle zu haben meint. Da wir uns ja gar nicht kennen.«
    »Ja, seltsam – warum möchten Sie ihn denn nicht kennenlernen?«
    »Wir hätten einander nichts zu sagen.«
    Sie hatte Camilles Frau in der Manege und auch auf der Galerie bei den Jakobinern gesehen; sie wirkte wie der Typ Frau, der den Männern entgegenkam, und bei Danton tat sie das ja wohl auch. Camille, so hieß es, duldete es, oder vielleicht sogar mehr als das … Fabre sah diese zuckende kleine Kopfbewegung, dieses Zurückschrecken vor einem Zuviel an Wissen. Trotzdem, was für eine abartige Fantasie die Frau haben musste; nicht einmal wir, dachte er, würden öffentlich darüber spekulieren, was unsere Kollegen im Bett tun.
    Manon fragte sich: Warum muss ich diesen Menschen ertragen? Wenn ich schon mit Danton zu tun haben muss, warum dann nicht über einen anderen Mittelsmann? Vielleicht, überlegte sie, traute Danton ja doch nicht so vielen, wie seine joviale Art glauben machte?
    Fabre musterte sie spöttisch. »Schade auch«, sagte er. »Wirklich, Sie haben den falschen Eindruck, Sie kämen mit Camille viel besser zurecht als mit mir. Er ist übrigens der Meinung, dass Frauen bei den Wahlen ein Stimmrecht hätten haben sollen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das sehe ich anders. Die meisten Frauen verstehen nichts von Politik. Sie sind

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