Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
getroffen haben, sonst wäre ihr Gegena n griff nicht so heftig gewesen.
Fawn erinnerte sich an eine Geschichte, die sie mal in Glashü t ten gehört hatte – darüber, wie die raubeinigen Flussschiffer ihre Kämpfe austrugen. An den Handgele n ken wurden sie mit Riemen aus grobem Leder zusammengebunden, und in den fre i en Händen trugen sie Me s ser. So waren sie gezwungen, sich dicht zu umkreisen, und außerstande, sich aus dem Kampf zu lösen oder a u ßer Stichweite ihres Feindes zu kommen. Dieser Kampf mit Cumbia fühlte sich genauso an.
Nachdem die eigene Familie sie schon an den Rand ihrer Wei s heit gebracht hatte, hatte Fawn Dag nicht g e glaubt, als dieser andeutete, dass seine noch schlimmer wäre. Während ihre Leute kämpften, um sich wehzutun oder ins Straucheln zu bringen, versuchten seine, ger a dewegs bis zum Knochen zu schneiden. Vielleicht hatte Dag Recht, wenn er meinte, dass der beste U m gang mit seiner Familie gar kein Umgang war. Ich bin nicht hie r hergekommen, um diese alte Frau zu bekämpfen. Ich wollte irgendeinen Frieden aushandeln. Warum lasse ich sie jetzt den Krieg haben, den sie will?
Fawn holte tiefe Luft und erklärte: »Dag ist der au f richtigste Mann, den ich je getroffen habe. Wenn wir ein Problem haben, sagt er es mir, und wir bringen es in Ordnung. «
»Ah. « Cumbia lehnte sich ein wenig zurück. Fawn spürte eine weitere Änderung in der Stimmung. Die u n vermittelte, scharfe Angriffslust war verschwunden, aber das beruhigte sie nicht. »Dann will ich dir mal die Wahrheit über Streifenreiter erzä h len, Mädchen. Weil ich mit einem verheiratet war. Schwester, Tochter und Mutter von welchen gewesen bin – und sogar mit ihnen ausg e zogen bin, als ich in deinem Alter war. Vor tausend Ja h ren, so kommt es mir vor.
Männer, Frauen, alt , jung , freundlich oder kleinlich, in einem sind sie alle gleich: Sobald sie ihr erstes Übel g e sehen haben, können sie nicht mehr von der Patrouille lassen, bis sie ve r krüppelt oder tot sind. Und niemals la s sen sie irgendjemanden wichtiger werden als das. Mari beispielsweise hätte allen Grund, im Lager zu bleiben und sich um Cattagus zu kümmern, aber sie zieht los. Und er ist genauso schlimm und schickt sie auch noch hinaus. Dags Vater war auch so einer. Sie alle, der ganze Haufen. Glaub nur nicht, dass ich mir einbilde, Dag wü r de um meinetwillen die Bänder durchschneiden oder w e gen Dar oder wegen irgendeinem der anderen Menschen, die ihn sein ganzes Leben lang unterstützt haben.
Denn das ist der entscheidende Punkt: Wenn Dag dich nicht genug liebt, wird er sich für die Patrouille entsche i den. Und wenn er dich über jede Vernunft hinaus liebt – wird er sich ebenfalls für die Patrouille entscheiden. Weil du dann im Zen t rum dieser Welt stehst, die zu retten er ausgesandt wird, und wenn er diese Welt nicht rettet, re t tet er dich auch nicht. Als Fairbolt letzte Nacht mit den Nachrichten aus Feuchtwalde bei ihm vorsprach, wie lange brauchte dein Bräutigam da, um sich zum Au f bruch zu entschließen und dich zurückzulassen? Allein, ohne Freunde oder Verwandte? «
Nicht sehr lang, dachte Fawn bei sich. Ihr Mund war zu trocken geworden, um zu reden.
»Und es würde überhaupt keinen Unterschied machen, wenn du als Seenläuferin geboren wärst oder noch hu n dert Mal hübscher oder selbst einsam und gequält oder trauernd am Sterbebett se i nes Kindes sitzen würdest. Streifenreiter drehen sich um und gehen fort, egal unter welchen Umständen. Diesen Kampf kannst du nicht gewinnen. « Cumbia setzte sich auf und bedac h te Fawn mit einem langsamen Blinzeln, kälter als der Blick e i ner Schlange. »Auch ich konnte das nicht. Also nimm dein t ö richtes Strickwerk und geh fort. «
Fawn schluckte. »Es sind gute Socken. Vielleicht möchte Omba sie haben. «
Cumbia schob entschlossen den Unterkiefer vor. »Du hast es wohl nicht so sehr mit dem Zuhören, was, Mädchen? « Und dann, fast mit der Geschwindigkeit einer zustoßenden Schlange, packte sie das kleine Bündel und warf es in die Feuergrube, die einige Schritt entfernt vor sich hinglühte.
Fawn hätte fast laut aufgeschrien. Drei Tage Arbeit! Sie stürzte hinterher. Die Socken hatten noch nicht Feuer gefangen, aber die trockene Baumwolle qualmte bereits vor den roten Kohlen, und ein loses Ende des feinen Garns krümmte sich schon in scharlachroten Funken, rollte sich zusammen und wurde schwarz. Sie beugte sich hinab und riss das Päckchen aus der Glut,
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