Bullenhitze
»Treibst dich drei Jahre auf meine Kosten in Amerika herum, kommst nach Hause, hängst ein weiteres Gammeljahr an und willst mir dann erklären, wie mein Geschäft funktioniert? Ich glaube, du spinnst!«
»Bleib bitte sachlich, Vater. Ich habe weder in New York auf deine Kosten gelebt, noch habe ich hier ein Gammeljahr verbracht. Ich habe, ganz im Gegenteil, hart an meiner Zukunft gearbeitet.«
»Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dein sogenanntes Studium und dieses Praktikum ernst nehme? Psychologie? Da lachen ja die Hühner.«
»Immerhin haben meine psychologischen Fähigkeiten dazu geführt, dass Altenburg vor nicht einmal zwei Stunden geradezu begeistert reagiert hat, oder?«
Werner Kronberger schaltete den Scheibenwischer eine Stufe höher und nahm die Geschwindigkeit etwas zurück. »Das, und das gebe ich gerne zu, war eine schöne Leistung. Aber ob dazu ein weiteres Studium nötig gewesen wäre, bezweifle ich doch sehr. Mir hätte dein BWL-Examen völlig gereicht, wenn auch gerne mit einem besseren Abschluss. Summa irgendwas, sagt man doch bei euch Gebildeten.«
Roland Kronberger überhörte die sowohl unverhohlene als auch sachlich völlig falsche Kritik an seinem knapp guten BWL-Abschluss. »Wie auch immer, wir haben unsere Vorschläge fast eins zu eins durchgedrückt. Und das haben wir ausschließlich meinem Verhandlungsgeschick zu verdanken.«
»Ausschließlich …«, knurrte der Senior, wurde jedoch vom Klingeln seines Telefons unterbrochen. Er deaktivierte die Freisprechanlage, drückte die grüne Taste und hielt sich das Gerät ans Ohr. »Kronberger«, bellte er. Dann lauschte er dem Anrufer, fügte ein leises ›ich komme‹ an und beendete das Gespräch.
»Was Wichtiges?«, fragte sein Sohn.
»Nichts, was für einen psychologisch geschulten Menschen von Bedeutung wäre«, gab der Senior schnippisch zurück.
Eine halbe Stunde später hatten sie Kassel erreicht. Kronberger setzte seinen Sohn vor dessen Wohnung ab und fuhr ohne ein weiteres Wort davon.
*
»Was bilden Sie sich ein, mich hierher zu zitieren?«, herrschte Kronberger den Mann an, nachdem er in dessen Auto gestiegen war. »Treffpunkt am Autobahnrasthof, wie in einem schlechten Krimi.«
»Wir hätten uns auch am Hauptbahnhof treffen können, aber weder wollen Sie mit mir gesehen werden, noch ich mit Ihnen.«
Kronberger nickte unwirsch. »Und was möchten Sie von mir? Sind Sie schon wieder knapp bei Kasse?«
»Nein, nein, es geht nicht um Geld. Ich wollte Ihnen von einem Treffen erzählen, das heute stattgefunden hat.«
Der Bauunternehmer schluckte. Wie es aussah, war sein Treffen mit Altenburg nicht geheim geblieben. »Und?«
»Wollen Sie gar nicht wissen, wer sich mit wem getroffen hat?«
Nun wurde der korpulente Mann unsicher. »Wie, wer mit wem?«
»Na, wer sich heute Mittag in einem diskreten Hotel in der Nähe des Bahnhofes Wilhelmshöhe mit Anselm Himmelmann, dem Bürgermeister von Hofgeismar, getroffen hat?«
Kronberger atmete erleichtert durch. »Und mit wem hat sich der Herr Bürgermeister getroffen? Sollte mich das interessieren?«
»Durchaus. Es war nämlich kein Geringerer als Roger van Dunckeren.«
Nun schluckte der Bauunternehmer hörbar. »Der Belgier?«
»Richtig, der Belgier. Eigentümer von Eurokrem, dem größten europäischen Krematoriumsbetreiber.«
»Das glaube ich nicht. Van Dunckeren hat vor mehr als einem halben Jahr wegen der Bürgerproteste seinen Ausstieg aus dem Projekt erklärt. Warum sollte der jetzt wieder mitspielen wollen?«
»Vielleicht, weil er mitgekriegt hat, dass Sebastian Bittner umgekippt ist. Eine feine Leistung übrigens, die Sie da vollbracht haben. Dass es Ihnen gelingen würde, den umzudrehen, hätte ich nicht erwartet.«
»Alles eine Frage der eingesetzten Mittel«, erwiderte der Bauunternehmer genervt. »Viel wichtiger ist allerdings, diesen verdammten Belgier aus der Sache rauszuhalten. Haben Sie eine Idee, wie wir das anstellen könnten?«
»Nein, tut mir leid. Wenn er nach dem gleichen Muster arbeitet wie Sie, dann hat er meinen Boss geschmiert. Eine andere Lösung kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
Werner Kronberger wäre Klaus Patzner, dem persönlichen Referenten des Hofgeismarer Bürgermeisters Anselm Himmelmann, am liebsten an die Gurgel gegangen, doch er wusste, dass er sich damit mehr schaden als nützen würde. Also beließ er es bei einem bösen Blick.
»Woher wissen Sie eigentlich von dem Treffen? Himmelmann wird es Ihnen doch
Weitere Kostenlose Bücher